Der Väter Fluch
können.«
»Warum sind Sie so verärgert, Dr. Dahl? Drogenkontrollen gehören an dieser Schule zum Standard. Haben Sie das nicht gewusst, als Sie hier anfingen?«
»Es ist eine Sache, im Rahmen der Verwaltungsaufgaben alles zu tun, um gewisse Standards aufrechtzuerhalten. Aber wir brauchen keine Polizisten, die uns sagen, wie wir unsere Schule zu führen haben.«
»Ah...«
»Ganz genau - ah!«
Deckers Lächeln wurde immer breiter. Er versuchte, es zu unterdrücken, aber das machte sie nur noch wütender. Sie ging auf den ersten Jungen zu - ein vierzehnjähriges Mondgesicht mit einem Ring von Sommersprossen um die Nase - und bat ihn, seinen Schrank zu öffnen.
Er befolgte Jaime Dahls Anweisungen in allen Einzelheiten. Decker war beeindruckt. Im Innern des Schranks fand er Papier, Stifte, ein paar Automagazine und einen ganzen Haufen Bonbonpapierchen.
»Vielen Dank«, sagte Decker und trat einen Schritt zurück.
Der Junge schloss seinen Schrank ab. Jaime sagte ihm, dass er gehen könne.
Der Junge ging.
Einer weniger - und noch gut dreihundert vor sich.
Im Schrank des zehnten Jungen entdeckte er zwei Gläser mit Tabletten. Es schienen verschreibungspflichtige Medikamente zu sein, und er fragte Dahl danach.
»Solange die Medikamente von einem Arzt stammen, lassen wir sie in der Schule zu.«
»Kann ich die Gläser herausnehmen?«, fragte er sie.
»Warum fragen Sie mich? Sie haben doch hier das Kommando.«
Decker sah sich die Gläser an. »Es sind alles die gleichen Tabletten.«
»Ich habe eine Erlaubnis«, sagte der Junge ängstlich. »Sie können meine Mom anrufen.«.
Decker musterte ihn. Eine Bohnenstange; der Junge zitterte am ganzen Körper. »Ich frage mich nur, warum du sechzig Pillen irgendeines Medikaments in der Schule brauchst, wenn die Dosis eine Pille pro Tag beträgt... und abends eingenommen werden muss.«
Der Junge schwieg.
Decker stellte die Gläser in den Schrank zurück. »Darüber solltest du mal nachdenken. Irgendjemand könnte auf falsche Gedanken kommen... beispielsweise, dass du versuchst, den Überschuss in der Schule zu verkaufen. Natürlich weiß ich, dass du so etwas nicht tun würdest. Aber... es macht irgendwie keinen guten Eindruck.«
Der Junge murmelte ein klägliches »Ja, Sir.«
»Ist schon gut, Harry«, beruhigte Jaime ihn. »Wir können später darüber reden.«
»Ja, Dr. Dahl.«
Decker ging zum nächsten Schrank, dann zum übernächsten. Im Lauf der folgenden Stunde fand er eine ganze Reihe von Gläsern, die verdächtig aussahen. Entweder handelte es sich um echte pharmazeutische Behälter mit Tabletten, die nicht mit den verschriebenen Mitteln übereinstimmten, oder sämtlich Etiketten waren gefälscht.
Aber da Arzneimittel zugelassen waren, überließ Decker Dr. Dahl die Bestrafung. Meist genügte ein strenger Blick der schönen Doktorin, um die Jungs zu Tode zu erschrecken. Decker hatte Mitleid mit ihnen, so wie er auch mit Jacob gefühlt hatte, als der Junge ihm seinen Drogenkonsum beichtete. Kinder lösten diese Reaktion bei ihm aus - er fühlte sich schuldig, selbst wenn er nur seinen Job machte.
Er wühlte sich durch Berge von verfaultem Essen, altem Papier, Einpackpapier und Müll. Ganz zu schweigen von alten, feuchten Sportsachen, die schlimmer rochen als verfaulte Papayas. Neben den Tabletten entdeckte Decker mehr als nur ein paar Zigarettenkippen - die nicht alle nur Tabak enthielten. Er tat so, als habe er nichts bemerkt. Außerdem stieß er auf Packungen voller Kondome, die meisten ungeöffnet, sowie eine Reihe von Pinups -meist weiblich, aber er fand auch einige äußerst stattliche Männer darunter. Alle Modelle trugen nur ein Lächeln auf den Lippen und dazu einen Hauch von Nichts. Daneben fand er noch mehrere eindeutige Polaroidfotos, die er einfach überging. Es dauerte nicht lange, bis Jaime Dahl scharfsinnig seine Nachlässigkeit registrierte. Das machte sie nicht freundlicher, sondern nur neugieriger. »Sie machen sich ja gar keine Notizen«, rügte sie ihn. »Wie bitte?«
»Ich stelle fest, dass Sie sich gar keine Notizen über die Dinge machen, die Sie finden.«
»Bis jetzt habe ich auch noch nichts von Bedeutung entdeckt.«
»Was ist für Sie von Bedeutung?« Die blauen Augen verengten sich. »Offensichtlich sind Sie gar nicht von der Drogenfahndung. Was tun Sie hier?« Plötzlich umfasste sie seinen Arm und zog ihn beiseite, außer Hörweite der wartenden Schüler, und flüsterte: »Ein Lieutenant der Polizei hat doch sicher Besseres
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