Der Väter Fluch
Mangel nimmst, Tom«, meinte Decker, »mach erst deine Hausaufgaben. Du fährst in die Innenstadt zum Holocaust Center. Die haben bestimmt Informationen über all diese Gruppen. Bei der Vandalismussache habe ich darauf verzichtet, weil Ernesto gleich gestanden hat, aber ein Doppelmord rechtfertigt ja wohl ein bisschen Aufwand. Ich will alles über Holt und Tarpin wissen - und diesen Moke, wenn du schon mal dabei bist.«
»Ich kann mir im Center gleich einen Termin geben lassen«, sagte Webster.
»Ich weiß noch was Besseres. Rina soll dich begleiten. Sie kennt sich mit dem Jargon aus, weil sie sich bei ihrer Jugendarbeit auch über die faschistischen Gruppierungen informiert hat, die weiße Überlegenheit predigen. Mach einen Termin, und wenn du einen hast, dann sage ich Rina Bescheid. Sie wird sich bestimmt freuen und eine große Hilfe für dich sein.«
»Hört sich gut an.« Webster hatte definitiv nichts dagegen, mit Deckers Frau zusammenzuarbeiten. Sie war intelligent und kompetent und noch dazu sehr hübsch. »Ich sag Bescheid, wenn ich den Termin habe.«
Auch Oliver schaute in seine Aufzeichnungen. »Wie lange ist Holt schon bei den HVR?«
»Tarpin sagt, seit vier Jahren.«
»Was ist eigentlich Tarpins Rolle in diesem Camp?«, fragte Marge. »Abgesehen von der des faschistoiden Armeeausbilders.«
Decker schenkte ihr ein sentimentales Lächeln. Manchmal -wenn Marge bestimmte Fragen auf ganz bestimmte Art stellte -vermisste er die Zusammenarbeit mit seiner früheren Partnerin sehr. »Er macht die Drecksarbeit für Baldwin. Achtet auf die Disziplin und die Erfüllung der täglichen Pflichten. Nach seiner Mitgliedschaft bei den HVR habe ich ihn nicht weiter ausgequetscht.«
»Was diesen Holt angeht«, sagte Oliver, »wäre es absolut möglich, dass ich... theoretisch bei Baldwin an seine Akte herankomme. Ich weiß, wo ich sie finde... theoretisch.«
»Wenn du das tust«, erwiderte Decker, »wäre es absolut möglich, dass du hinter schwedischen Gardinen landest, wo die Knastbrüder nur darauf warten, dir ihre harten Schwänze in den Arsch zu rammen.«
»Chef, Sie haben eine sehr bildhafte Sprache. Dann berichte ich Ihnen lieber nicht, was theoretisch in Ernesto Goldings Akte stehen könnte - die wir sowieso hätten kriegen können, weil er schließlich tot ist und es keinen Grund mehr für Geheimhaltung gibt.«
»Irgendetwas, das wir gebrauchen können?«, fragte Decker.
»Fast nur Psychogerede und Abkürzungen. Auf jeden Fall hatte er irgendeine abartige Sexsache mit dieser Ruby Ranger laufen.«
»Nazikram?«
»Genau. Aber vielleicht waren manche Sachen auch nur Phantasien, denn es ging ziemlich wild zur Sache. Ich schätze, das hat Baldwin auch gemeint.«
»Wir müssen uns diese Ranger schnappen. Wir wissen nur, dass sie in Richtung Norden verschwunden ist. Ich habe heute Morgen schon sechs Polizeistationen in der Bay Area angerufen. Sie suchen zwar nach ihr und nach ihrem Auto, aber wenn wir nicht dranbleiben, dann vergessen sie es wieder. Wanda, Sie können das Leutenerven übernehmen.«
»Ja, Sir.«
»Willst du dir Ernestos Akte ansehen, Chef?«, fragte Oliver. »Du warst doch auf der Uni. Vielleicht verstehst du ja was davon.«
»Nein, will ich nicht. Ich will noch nicht mal davon wissen, bis wir einen Durchsuchungsbefehl haben.«
»Wo wir schon bei den theoretischen Möglichkeiten sind...« Marge räusperte sich. »Nehmen wir an, ich hätte Notizen auf Baldwins Schreibtisch gefunden und kopiert und jetzt ein paar Fragen, was die Abkürzungen angeht?«
Decker starrte sie an. »Ich glaube das alles nicht.«
Oliver sagte: »Gib einfach mir die Schuld. Los, Margie, zeig uns, was du gefunden hast.«
»Ich will es gar nicht sehen«, erwiderte Decker.
»Dann schau einfach nicht hin«, gab Oliver zurück.
Aber Decker sah hin. Margie hatte mehrere Kopien von Terminkalenderseiten ausgebreitet. Sie fühlte sich schuldig - aber nicht sehr. »Zuerst dachten wir, die Abkürzungen könnten für den psychischen Zustand der Patienten stehen. Aber die Buchstaben scheinen nicht zu psychischen Krankheiten zu passen.«
»Wie zum Beispiel V für >verrückt< oder N wie >Nicht ganz dicht<...«, sagte Oliver. »Wie wär's mit N für >Neurotisch«, warf Webster ein. »Und ich meine nicht die Kinder, sondern die Eltern. Gibt es eigentlich noch so was wie Erziehung?«
Decker widersprach. »Vielleicht haben diese Jugendlichen wirkliche Probleme, Tom.«
»Ja klar - sie sind verwöhnt bis dort hinaus.
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