Der Väter Fluch
irgendjemand darüber spricht, dann mit seinem Bruder. Er hat mir geraten, einfach abzuwarten, und meinte, dass Yonkie sich auch so schon schlecht genug fühle.«
»Ich bin also nicht der Einzige, der Geheimnisse hat.«
»Offenbar nicht«, sagte Rina. »Darüber können wir später reden. Jetzt geht es um Yonkie. Er ist ziemlich verstört, Peter.«
»Weshalb?« Decker setzte sich gerade hin. »Weiß er etwas?«
»Keine Ahnung.«
»Ist Jacob jetzt zu Hause?«
»Ja. Er wollte eigentlich mit mir Shmueli vom Flughafen abholen, aber wenn du nach Hause kommst, sage ich ihm, dass er auf dich warten soll.«
»Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»War er mit diesem Golding gut befreundet? Er sagt Nein, aber vielleicht will er mich nur nicht aufregen.«
»Ich glaube, das stimmt. Er hat mir erzählt, dass er Ernesto sechs Monate nicht gesehen hat. Es ist wahrscheinlich nur der Mord selbst. Du weißt doch, wie Jugendliche sind. Sie halten sich für unsterblich. Und dann bricht die Wirklichkeit in ihr Leben ein... mach dir keine Sorgen.«
»Und gerade lief alles so gut, die Therapie, seine Noten - ich möchte nicht, dass er als Nervenbündel an der Johns-Hopkins-Universität anfängt.«
»Es ist doch gerade erst Sommeranfang, Rina. Im Herbst geht es ihm wieder gut.«
»Aber nächste Woche will er den zweiten Studienzulassungstest für Mathe und Physik machen. Ich weiß, dass er in Prüfungen gut ist, und der S2 dürfte kein Problem sein, aber...«
Wieder fuhr Decker hoch. »Was hast du gesagt?«
»Ich weiß nicht«, sagte Rina. »Was habe ich denn gesagt?«
»Du hast gesagt, das Yonkie den S2 in Mathe und Physik macht«, antwortete Decker. »Ach ja, genau. Er möchte gern die Erstsemesterkurse in Math...«
»S2 bedeutet Studienzulassungstest 2, S bedeutet Studienzulassungstest, PS ist der Physik-SZT...«, unterbrach Decker. »Natürlich. Das ist es. Das ist ihre Spezialität... Jugendliche in Spitzenunis unterzubringen.«
»Was ist los?«
»Das ist ein Code, den wir gerade zu knacken versucht haben. Jetzt ist alles klar. Die anderen konnten das nicht wissen, weil niemand von ihnen Kinder in dem Alter hat, die aufs College wollen.Scotts Söhne waren nicht auf der Uni, Bontemps' Tochter auch nicht, Websters Kinder gehen noch zur Schule, und Vega ist auch noch nicht so weit. Bleibe nur ich. Ich bin manchmal wirklich ein bisschen schwer von Begriff.«
»Wovon redest du eigentlich?«, rief Rina.
»Rina, gibt es so einen Einstufungstest, der mit M anfängt?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bin vor achtzehn Jahren das letzte Mal an der Uni gewesen. Kommst du jetzt nach Hause?«
»Ja. Und du weißt keinen Test, der mit M anfängt?«
»Kannst du eigentlich immer nur an die Arbeit denken?«
»Ich bin doch schon auf dem Heimweg...«
»Was ist mit dem Test fürs Medizinstudium?«, warf Rina ein. »Der heißt MedTest oder M-Test oder so.«
»Du bist ein Genie.«
»Na, toll.« Rina war leicht genervt. »Kommst du jetzt nach Hause und kümmerst dich um deinen Sohn?«
»Auf jeden Fall. J steht bestimmt für den Juratest. Mein Gott, den habe ich ja selbst abgelegt.«
»Irgendwann in der Steinzeit.«
»Werd nicht gemein.«
»Du verdienst es nicht anders.«
»Was ist mit E?«
»E?«
»Ja, E. Was soll E heißen? Welcher Test fängt mit E an? Erdkunde kann es ja wohl nicht sein?«
Sie dachte einen Moment nach. »Geht es hier nur um Eignungstests für Unis?«
»Keine Ahnung. Woran denkst du?«
»An den EVT - Einsichts- und Verständnistest. Wird in Hannahs Schule jedes Jahr durchgeführt. In manchen Schulen gibt es stattdessen auch den so genannten IowaTest...«
»Ah, das wäre dann das I«, sagte Decker. Was tat Baldwin eigentlich? Bereitete er Jugendliche auf die Standardtests vor? Und was hatte das mit dem Mord an Ernesto zu tun, wenn überhaupt? Die zweite Telefonleitung leuchtete auf. Er bat Rina, einen Moment am Apparat zu bleiben.
Martinez war dran.
Die Nachricht überraschte ihn zwar nicht, betrübte ihn aber dennoch.
Er sagte zu seiner Frau: »Tut mir Leid, Rina. Ich kann doch nicht kommen. Du kannst Jacob ebenso gut zum Flughafen mitnehmen.«
»Das klingt gar nicht gut.«
»Man hat Dee Baldwins Leiche gefunden. Anscheinend Selbstmord, könnte aber auch Mord sein. Ich muss hin.«
»Um Himmels willen! Das tut mir Leid, Peter.«
»Sag Jacob, er soll sich keine Sorgen machen. Wir haben alles unter Kontrolle.«
»Wirklich?«
»Noch nicht. Aber bald.«
Das war eine kühne Behauptung, wenn nicht sogar
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