Der Vampir, den ich liebte
bist genau wie sie,
in jeder Hinsicht ...
Nachdem ich
das Badezimmer gefunden hatte, zog ich die Jeans und das T-Shirt aus, die ich
im Flugzeug getragen hatte, und nahm eine lange, heiße Dusche. Ich trocknete
mich ab, löste das Kleid vorsichtig vom Bügel, öffnete eine Reihe von Knöpfen,
die aus Süßwasserperlen bestanden und über den Rücken verliefen, und stieg in
das Kleid, das sich um meinen Körper schmiegte wie eine letzte Umarmung meiner
Mutter.
Es passte
perfekt. Als sei es für mich entworfen worden.
Im Licht
des vollen, klaren Mondes, der wie ein zittriger Scheinwerfer durch eine lange
Reihe verbogener Bleiglasfenster schien, betrachtete ich mein Spiegelbild in
einem vergoldeten Spiegel in der Ecke des Raumes.
Hat
Mihaela sich auch so gesehen? Im Licht dieses Mondes? Im selben Spiegel?
Der Kragen
des Kleides war hoch und reichte mir fast bis zum Kinn, aber der Ausschnitt war
so tief, dass er den Blutstein an meinem Hals deutlich zur Geltung brachte. Das
Kleid wölbte sich über meine Brüste, fiel dann scharf und abrupt hinab wie ein
Wasserfall, der über eine Klippe in den Karpaten stürzte, und endete
schließlich in einer wallenden Seidenschleppe, die bei jedem meiner Schritte
leise raschelte. Es klang wie das bewundernde Wispern, das zweifellos jeder
Frau folgte, die es wagte, dieses faszinierende Kleid zu tragen.
Das Kleid
sagte etwas aus über die Frau, die es trug. Es zeigte jedem, der sie sah: »Ich
bin mächtig und schön. Versucht nur, den Blick von mir abzuwenden. Es wird
euch nicht gelingen.«
Ich hatte
kein silbernes Diadem, daher fasste ich meine Locken im Nacken lose zusammen
und ließ mein schwarzes, glänzendes Haar frei über den roten Stoff fließen,
wie um meinen Anspruch auf das Kleid deutlich zu machen.
Die junge
Frau, die ich im Spiegel sah und deren dunkle Augen im Mondlicht leuchteten,
sah wirklich wie eine Prinzessin aus.
Stark.
Entschlossen. Furchtlos.
Es klopfte
an der Tür und Dorin rief: »Deine Gäste sind eingetroffen. Bist zu bereit?«
»Komm
rein«, bat ich.
Dorin
steckte den Kopf durch die Tür. Seine fröhlichen Augen weiteten sich erstaunt.
Eine Weile starrte er mich einfach nur an, dann sagte er: »Ja. Du bist
eindeutig bereit.« Dann trat er beiseite und ließ mich vor sich durch die Tür
gehen. Ich sah, wie er sich, als ich vorbeiging, kaum merklich vor mir
verneigte.
Kapitel 62
Sie
standen am Fuß der
geschwungenen Treppe und erwarteten mich. Alle drehten sich zu mir um, als ich
hinunterschritt. Ich beobachtete, wie sich der Ausdruck auf ihren Gesichtern
von Skepsis und Sorge in Anerkennung und Staunen wandelte – und zu Hoffnung.
Die Tatsache, dass sie anfingen, an mich zu glauben, gab mir Zuversicht, auch
wenn sie mir gleichzeitig Angst machte.
Wer bin
ich, dass ich jemandes Retter sein könnte? Jemandes Prinzessin?
Du bist
die Tochter deiner Mutter ... schön, mächtig, königlich ... Dorins Beteuerungen und Lucius' Ode
kamen mir in den Sinn und machten mir Mut.
Einer nach
dem anderen traten meine Verwandten auf mich zu, um mich zu begrüßen, während
ich am Fuß der Treppe stand. Dorin stellte sie mir vor – und während sie auf
mich zukamen – Cousins und Cousinen, nah und fern –, um sich zu verneigen oder
zu knicksen, entdeckte ich Spuren von mir in der Wölbung einer Nase, dem
Schwung einer Augenbraue, der Neigung eines Wangenknochens. Sie waren gut
gekleidet, aber ich bemerkte, dass die Kleider ein wenig altmodisch waren und
die Anzüge bei manchen schlecht saßen. Was ist seit der Vernichtung meiner
Eltern aus uns geworden?
»Komm«,
sagte Dorin, nachdem wir alle einander vorgestellt worden waren. »Lasst uns
essen.«
Ich führte
die kleine Prozession von Männern und Frauen in einen
langen, hohen Speisesaal, in dem es trotz des Feuers in dem gewaltigen Kamin
recht kühl war. Auf ein Zeichen von Dorin nahm ich meinen Platz an der
Stirnseite des Tisches ein, der nur so funkelte von Silber und Kerzenlicht.
Wir Dragomirs befanden uns finanziell zwar in einer etwas angespannten Lage,
aber zur Feier meiner Rückkehr, so schien es, hatte man alles getan, um das
vergessen zu machen.
»Setz dich,
setz dich«, sagte Dorin leise, während er mir meinen Stuhl herauszog. »Leider
muss ich servieren ... Wir haben im Augenblick einen Mangel an Personal, es
ist ohnehin schwierig, jemanden aus dem Dorf herbeizuholen, angesichts der
gegenwärtigen Situation. Niemand will spät am Abend noch auf dem Besitz der
Dragomirs arbeiten ...«
»Das
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