Der Vampir, den ich liebte
ist
schon in Ordnung«, versicherte ich und setzte mich.
Es wurden
Trinksprüche auf mich ausgebracht – auf Rumänisch – und Dorin übersetzte für
mich. Auf meine Gesundheit ... Auf meine Rückkehr ... Auf den Pakt ... Auf
Frieden.
Danach ging
ein Raunen um den Tisch und Dorin beugte sich vor, um mir etwas zuzuflüstern.
»Sie wünschen, etwas von dir zu hören. Sie sind zu aufgeregt, uni zu essen. Du
musst ihnen von deinen Plänen erzählen.«
Zum ersten
Mal, seit ich in das rote Seidenkleid geschlüpft war und begonnen hatte, mich
in meine neue königliche Rolle einzufühlen, keimte echte Panik in mir auf. Ich
habe keine Rede vorbereitet. Ich hätte eine Rede vorbereiten sollen. Was soll
ich ihnen erzählen? Gott, was sind überhaupt meine Pläne? »Ich kann das
nicht«, flüsterte ich Dorin zu. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Du musst
etwas sagen, Antanasia«, flehte Dorin mich an. »Sie
erwarten es. Wenn du es nicht tust, werden sie das Vertrauen verlieren.«
Vertrauen.
Ich kann es mir nicht leisten, ihr Vertrauen zu verlieren. Und so erhob ich mich, wandte mich
meiner Familie zu und begann: »Es ist mir eine Ehre, heute Abend unter euch zu
sein, zurück im Heim unserer Vorfahren ...« Was kann ich sagen? »Es hat
zu lange gedauert.«
Für
diejenigen unter ihnen, die kein Englisch sprachen, übersetzte Dorin, und ab
und zu sah er mich mit wachsender Bestürzung an. Er wusste, dass ich um die
richtigen Worte rang, und als ich in die Gesichter meiner Verwandten blickte,
sah ich, wie ihre alte Unsicherheit zurückkehrte. Ich verlor ihr Vertrauen, so
schnell wie ich es gewonnen hatte.
»Ich werde
dafür sorgen, dass der Pakt erfüllt wird«, fügte ich hinzu. »Als eure
Prinzessin verspreche ich euch, dass ich euch nicht im Stich lassen werde.«
»Verrate
mir eines, Jessica«, begann jemand. Eine tiefe Stimme.
Oh, Gott
sei Dank ... Eine Frage.
»Ja?« Ich
blickte forschend in die Gesichter am Tisch und versuchte, in dem düsteren, nur
von Kerzen erhellten Raum den Sprecher zu entdecken.
»Wie genau
wirst du dafür sorgen, dass die Absprache eingehalten wird? Dass es keinen
Krieg gibt? Denn wenn ich recht verstanden habe, haben die Vladescus kein Interesse
mehr an dem Pakt.«
Die Stimme
war hinter mir. Eine vertraute Stimme.
Ich fuhr so
schnell herum, dass mein Stuhl umfiel. Lucius Vladescu stand an den Türrahmen
gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, ein bitteres Lächeln auf dem Gesicht.
»Lucius.«
Mein Herz hörte auf zu schlagen und alles Blut wich aus
meinem Gesicht. Es war Lucius. Lebendig. Keine sechs Meter von mir
entfernt. Wie oft hatte ich davon geträumt, ihn wiederzusehen? Ihn zu
berühren? Wie oft hatte mir die Unerreichbarkeit dieser Träume das Herz gebrochen?
Aber jetzt war er so nah ...
Sein
Lächeln verblasste, als könnte er bei meinem Anblick sein kühles, ironisches
Gehabe nicht aufrechterhalten, und ich hörte ihn murmeln, ganz leise: »Antanasia
...« Aus diesem einen Wort klangen Sehnsucht, Erleichterung, Zärtlichkeit und
Begierde. Die gleichen Gefühle, die ich verspürte. Er zögerte, unsicher, eine
Hand ausgestreckt, als wollte er auf mich zugehen.
»Lucius«,
wiederholte ich und blinzelte, während mir langsam klar wurde, dass er
tatsächlich vor mir stand. »Du bist es wirklich.«
Als ich das
sagte, ließ Lucius die Hand sinken und sein ironisches Lächeln kehrte zurück.
»Allerdings, es gibt nur den einen«, spottete er bitter und auch das letzte
bisschen Zärtlichkeit wich aus seinem Gesicht. »Und die Welt ist dadurch
besser dran.«
Ich wollte
auf ihn zulaufen, stolperte aber beinahe über die Schleppe meines Kleides. Ich
wollte mich auf ihn stürzen, ihn packen und küssen, wieder und wieder und wieder,
so glücklich war ich, ihn zu sehen. Und zugleich wollte ich ihn anschreien,
weil er mich belogen und mich im Stich gelassen hatte. Aber dann sah ich sein
Gesicht aus der Nähe und ich blieb mitten im Schritt wie angewurzelt stehen.
»Lucius?«
Er schien,
als sei er in den wenigen Monaten unserer Trennung um Jahre gealtert. Alle
Überreste des amerikanischen Teenagers waren verschwunden – und nicht nur,
weil er wieder seine maßgeschneiderten Hosen und seine Samtjacke
trug. Sein schwarzes Haar war länger und zu einem achtlosen Pferdeschwanz
zusammengebunden. Sein Mund wirkte grimmiger und seine Schultern waren breiter
geworden. Bartstoppeln überzogen sein sonst so glatt rasiertes Kinn. Und seine
Augen schienen schwärzer denn je, als
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