Der Vampir, den ich liebte
trotzdem zuerst mit uns besprechen müssen«, wandte Mom ein.
Lucius'
Schultern sackten herab, aber nur ein klein wenig. »Ja. Na ja, vielleicht sind
wir da etwas zu weit gegangen. Aber genau genommen, sind Sie verpflichtet,
mich willkommen zu heißen. Sie wussten, dass dieser Tag – und ich – kommen
würden.«
Dad
räusperte sich und sah Mom an. »Wir haben den Dragomirs tatsächlich vor Jahren
versprochen, dass wir, wenn es so weit ist ...«
»Oh, Ned,
ich weiß nicht. Wir müssen Rücksicht auf Jessicas Gefühle nehmen ...«
»Sie haben
meiner Familie einen Eid geleistet«, Lucius blieb hartnäckig. »Außerdem kann
ich sonst nirgendwohin. Ich werde nicht in dieses sogenannte
Landgasthaus im Stadtzentrum zurückkehren, wo ich letzte Nacht geschlafen
habe. Der Raum hatte das Thema Schweine, verdammt noch mal. Schweinetapeten,
Schweinekrempel überall. Und ein Vladescu schläft nicht bei Schweinen.«
Mom seufzte
und legte mir beruhigend die Hände auf die Schultern. »Ich schätze, für den
Augenblick kann Lucius im Gästeappartement über der Garage wohnen, während
wir uns etwas überlegen. In Ordnung, Jessie? Es ist nur vorübergehend, da bin
ich mir sicher.«
»Hey, es
ist eure Farm«, murmelte ich, wohl wissend, dass ich geschlagen war. Meine
Eltern nahmen ständig Streuner auf. Boshafte Katzen, bissige Hunde ... Wer heimatlos
war, konnte auf unserem Bauernhof leben, selbst wenn er drohte, einen zu
beißen.
Und so kam
es, dass ein Teenager, der von sich behauptete, ein Vampir zu sein, zu Beginn
meines lang ersehnten Abschlussjahres Quartier in unserer Garage bezog. Und
nicht irgendein
Vampir. Mein arroganter, überheblicher Vampir– Verlobter. Die letzte
Person, zur Hölle – oder aus der Hölle –, mit der ich auch nur eine
Busfahrt gemeinsam erleben wollte, ganz zu schweigen davon, mich für die Ewigkeit
mit ihm zu verbinden.
Ich lag die
halbe Nacht wach und dachte über mein zerstörtes Leben nach. Meine leiblichen
Eltern: Mitglieder eines Kultes, die angeblich Blut tranken. Ich nahm mir vor,
nie, nie wieder an sie zu denken. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als sie
aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Ihre Geschichte konnte – und würde – ein
für alle Mal in der Vergangenheit verschwinden.
Aber die
Zukunft ... Alles, was ich gewollt hatte, war eine Chance, mit Jake Zinn
auszugehen, einem ganz normalen Jungen. Stattdessen bekam ich einen
durchgeknallten Verlobten direkt in die Garage geliefert. Als würden nicht
ohnehin schon alle in der Schule meine Familie für bizarr halten, mit Dads Yoga
und seinem unproduktiven Antifleischbiobauernhof und meiner Mom als
Brötchenverdienerin, die sich mit irgendwelchem fantastischem Hokuspokus
beschäftigte. Aber jetzt ... jetzt würde ich wirklich zur totalen Außenseiterin
werden. Das Highschool-Mädchen, das mit einem Freak verlobt war. Und mit was
für einem Freak.
Während ich
im Bett lag, konnte ich nicht aufhören, an den Duft von Lucius' Rasierwasser zu
denken, als er sich über mich gebeugt hatte. Die Macht, die er ausgestrahlt
hatte, als er in meinem Literaturkurs auf und ab gelaufen war. Die Berührung
seiner Finger auf meiner Wange. Seine Ansage, dass er mich eines Tages beißen würde.
Gott,
was für ein Psychopath.
Ich schlug
die Bettdecke zurück, setzte mich auf und zog den Vorhang beiseite, um durchs
Fenster zur Garage hinüberschauen
zu können. In dem Appartement im ersten Stock brannte noch immer Licht. Lucius
war dort draußen. Er war wach und tat – was?
Ich
schluckte schwer, ließ mich wieder auf mein Kissen fallen und zog mir die Decke
bis zum Hals – meinem empfindlichen, verletzbaren und noch ungeküssten Hals –,
während ich den Morgen halb herbeisehnte, halb fürchtete.
Kapitel 7
Lieber Onkel Vasile,
ich
schreibe dir aus meinem »Loft« über der baufälligen Garage der Packwoods, wo
ich einquartiert bin wie ein unerwünschtes Automobil oder ein vergessenes
Gepäckstück. Zweifellos werde ich Tag und Nacht abgestandene Autoabgase
einatmen.
Obwohl
ich erst seit wenigen Wochen hier bin, sehne ich mich schon nach der
zerklüfteten Pracht der Karpaten zurück und dem Geheul der Wölfe in der Nacht,
das so beängstigend und zugleich so schön ist. Erst wenn man sich an einem Ort
befindet, dem es vollkommen an Gefahr oder Geheimnissen mangelt, kann man
verstehen, wie sehr man die dunklen Gegenden der Welt vermissen kann.
Hier ist
man höchstens einmal in Sorge, dass man auf den schmalen Straßen mit
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