Der Vampir der mich liebte
wählte die Notrufnummer von Erics Büro aus. Wo dort das Telefon stand, wusste ich wenigstens. Der Raum war komplett verwüstet worden, und irgendeine verspielte Hexe hatte ein großes rotes Pentagramm an eine der Wände gemalt. Eric würde entzückt sein.
Ich ging zu Belinda zurück und sagte ihr, dass der Krankenwagen gleich kommen würde. »Was ist mit deinen Beinen los?«, fragte ich und fürchtete mich zugleich vor der Antwort.
»Sie haben mir die Muskeln hinten in den Beinen verkürzt, jetzt sind sie nur noch halb so lang ...« Und wieder begann sie zu stöhnen. »Das ist wie einer dieser gigantischen Krämpfe, wenn du schwanger bist.«
Es war mir neu, dass Belinda je schwanger gewesen war.
»Wo ist Ginger?«, fragte ich, als ihre Schmerzen ein wenig abzuebben schienen.
»Sie war in der Toilette.«
Und dort war Ginger, eine hübsche Rotblonde und nun stumm wie ein Stein, immer noch. Ich glaube nicht, dass sie sie wirklich umbringen wollten. Aber so wie es aussah, hatten sie ihre Beine genauso verhext wie Belindas; jedenfalls waren sie auf die gleiche seltsame und schmerzhafte Weise zusammengeklappt, selbst noch im Tod. Ginger hatte vor dem Waschbecken gestanden, als sie in sich zusammensackte, und war auf ihrem Weg nach unten mit dem Kopf gegen den Rand des Waschbeckens geschlagen. Ihre Augen waren blicklos und ihr Haar war mit geronnenem Blut verkrustet, das aus der Wunde an ihrer Schläfe gesickert war.
Da war nichts mehr zu machen. Ich musste Ginger gar nicht berühren, so offensichtlich tot war sie. Belinda erzählte ich nichts davon. Sie litt ohnehin viel zu starke Schmerzen, um es richtig zu begreifen. Doch sie hatte noch ein paar klare Momente, ehe ich mich wieder auf den Weg machte. Ich fragte sie, wo ich Pam und Chow finden könnte, um sie zu warnen, und Belinda sagte, sie wüsste es nicht, sie würden einfach in der Bar auftauchen, sobald es dunkel war.
Außerdem erzählte sie, die Frau, die sie verhext hatte, sei eine Hexe namens Hallow gewesen, sehr groß, mit kurzem braunem Haar und einem Gesicht, auf das ein schwarzes Muster gemalt war.
Das sollte es leicht machen, sie zu erkennen.
»Und stark wie ein Vampir wäre sie außerdem, sagte sie«, stieß Belinda hervor. »Da...« Belinda deutete hinter mich. Ich fuhr herum, auf einen Angriff gefasst. Doch nichts passierte. Allerdings war das, was ich sah, fast genauso beunruhigend wie das, womit ich gerechnet hatte. Es war der Griff des Rollwagens, mit dem die Angestellten Getränkekisten hin und her fuhren. Der lange, massive metallene Stielgriff war zu einem U verbogen worden.
»Der Meister wird sie umbringen, wenn er wiederkommt«, sagte Belinda einen Augenblick später stockend. Wegen ihrer Schmerzen platzten die Wörter nur noch in einem abgehackten Stakkato aus ihr heraus.
»Ganz sicher«, erwiderte ich beruhigend. Ich zögerte. Es war nicht zu beschreiben, wie mies ich mich fühlte. »Belinda, ich muss gehen, ich will nicht, dass die Polizei mich hier mit ihren Fragen festhält. Erwähne bitte meinen Namen nicht. Sag einfach, ein Passant hätte dich gehört, okay?«
»Wo ist der Meister? Ist er wirklich verschwunden?«
»Keine Ahnung«, log ich gezwungenermaßen. »Ich muss jetzt hier raus.«
»Geh«, sagte Belinda mit versiegender Stimme. »Wir können von Glück sagen, dass du überhaupt vorbeigekommen bist.«
Ich musste unbedingt weg. Ich wusste nichts über das, was im Fangtasia passiert war. Und wenn mir trotzdem stundenlang Fragen gestellt würden, kostete mich das Zeit, die ich nicht mehr hatte - schließlich war mein Bruder verschwunden.
Als ich wieder in meinem Auto saß und vom Parkplatz fuhr, kamen mir die Polizei und der Krankenwagen schon entgegen. Ich hatte noch meine Fingerabdrücke vom Türknauf abgewischt. Was ich außerdem angefasst hatte oder nicht, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern, ganz egal wie gründlich ich versuchte, mir mein Vorgehen noch einmal in Erinnerung zu rufen. Es waren sowieso Millionen von Fingerabdrücken dort zu finden - herrje, es war schließlich eine Bar.
Erst eine Weile später fiel mir auf, dass ich einfach drauflosfuhr, ohne jedes Ziel. Ich war unglaublich durcheinander. Also steuerte ich eine weitere Tankstelle an, fuhr dort auf den Parkplatz und sah sehnsüchtig zu den Telefonsäulen hinüber. Ich konnte Alcide anrufen und ihn fragen, ob er wusste, wo Pam und Chow die Stunden des Tages verbrachten. Und dann konnte ich dorthin fahren, eine Nachricht hinterlassen und sie
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