Der Vampirprinz: Royal House of Shadows (German Edition)
er sie in den Wahnsinn treiben und sie betteln hören? Na ja, bald würde sie …
„Wie soll ich dich ablenken?“, fragte er und überraschte sie damit.
Okay, also stand Flehen nicht auf dem Speiseplan. Es erstaunte sie selbst, dass sie gegen die Enttäuschung ankämpfen musste. „Erzähl mir eine Geschichte.“
Er hielt inne. „Eine Geschichte?“
„Ja.“ Sie öffnete ihre Augen einen Spalt und fügte hinzu: „Was auch immer du tust, hör nicht auf, mich zu massieren!“
Trotz seiner deutlich spürbaren Anspannung zuckten seine Lippen, was sie reizend fand. Höchstwahrscheinlich hatte er in seinem Leben schon lange nichts mehr zu lachen gehabt, und sie schien ihm Freude zu bereiten. So wie er sie erfreute.
„Eine Geschichte worüber?“ Er blieb zwischen ihren gespreizten Beinen sitzen, ihre Knie angewinkelt, ihre Beine rahmten ihn ein.
„Ich weiß nicht. Deine Familie vielleicht.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wollte sie sie zurücknehmen. Sie erinnerte sich an den Abschnitt aus ihrem Buch. Er erinnerte sich nicht an seine Vergangenheit. Sein Gedächtnis …
„Ich habe zwei Brüder und eine Schwester“, sagte er und hielt den Atem an.
Ein Augenblick verstrich, dann noch einer. Seine Fangzähne zogen sich in seinen Mund zurück und verschwanden. Schock und Schmerz ersetzten den Ausdruck von Lust und Freude auf seinem Gesicht.
„Was ist los?“, fragte sie, auch wenn sie die Antwort bereits kannte. Zumindest glaubte sie, sie zu kennen. Er musste darüber reden, musste loslassen. Etwas, das sie in der Therapie gelernt – und gleich wieder verworfen – hatte. Aber nur weil sie es selbst nie versucht hatte, bedeutete das nicht, dass er es auch nicht tun sollte.
„Ich konnte mich bis eben nicht an meine Geschwister erinnern. Ich hatte eine Ahnung, aber … Ich habe zwei Brüder und eine Schwester. Jetzt weiß ich es, ich weiß, sie sind echt.“ In seiner Stimme lag Herausforderung, als erwartete er, dass sie ihm widersprach.
„Sie sind echt“, stimmte sie zu.
Er verzog das Gesicht, nickte. „Endlich kann ich sie in meinen Gedanken sehen. Ich erinnere mich nur nicht an ihre Namen. Wenn ich es versuche, explodiert mein Kopf fast vor Schmerzen.“
„Schmerzen?“
„Eine Aufmerksamkeit der Heilerin.“
„Oh Nicolai, das tut mir so leid.“ Zu wissen, dass man eine Familie hatte, und nicht in der Lage zu sein, sich an die Zeit miteinander zu erinnern, das musste die reine Folter sein, viel schlimmer, als überhaupt nicht zu wissen, dass es sie gab. Monatelang hatte Jane nur wegen ihrer Erinnerungen überlebt. „Löse dich davon, an ihre Namen zu denken, und beschreib nur, was du siehst.“ Vielleicht konnte sein Verstand sich, wenn er sich entspannte, auf einen Teil der Vergangenheit konzentrieren und andere Erinnerungen würden dann leichter folgen.
Der schmerzverzerrte Ausdruck wich aus seinen Augen, und seine Mundwinkel zuckten. Er grub seine Finger wieder fester in ihre Muskeln. „Mein jüngster Bruder, noch ein Junge, hat grüne Augen, und sein Haar ist heller als deines. Ich sehe, wie er mir nachläuft, und bin glücklich.“
„Ich wette, er hat dich bewundert“, sagte sie, um ihm Mut zu machen. „Ich hatte eine ältere Schwester, und ich bin ihr immer nachgelaufen und wollte mit ihr und ihren Freunden spielen.“
„Ja.“ Nicolai riss die Augen auf, aber er sah an ihr vorbei, an einen Ort, den sie sich nicht vorstellen konnte. „Ja, er hat mich bewundert. Uns alle. Und wir haben ihn geliebt. Er war immer so süß und unschuldig, der kleine Frechdachs. Ich … ich kann uns zusammen sehen. Wir lächeln, und ein Einhorn läuft vor uns auf und ab.“
Ein echtes Einhorn. Jane wollte mehr erfahren – zum Beispiel, ob sie das Tier gesattelt hatten und darauf geritten waren –, aber sie wollte den Fluss von Nicolais Erinnerungen nicht unterbrechen. „Was ist mit deinem anderen Bruder?“
„Auch er ist jünger, aber wir liegen nicht weit auseinander.“ Er hielt inne, als suchte er in Gedanken nach einer Bestätigung. Dann nickte er. „Sie sind alle jünger als ich. Selbst meine liebste Schwester.“
„Und wie sind deine anderen Geschwister?“
„Meine Schwester hat ihren goldenen Schopf über ein Zauberbuch gebeugt. Ich versuche, sie zu überreden, mit mir zu kommen, weil ich auf den Markt muss, aber sie weigert sich. Sie will bleiben, sie hat zu viel zu tun. Sie arbeitet zu hart, will es immer allen recht machen. Und er, mein anderer Bruder, hat schwarzes
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