Der Vampyr
amüsierte ihn, aber das durfte nicht sein. Abu Dun war ein Mörder und Sklavenhändler und vermutlich noch einiges mehr.
Er durfte nicht zulassen, das ihm dieses Ungeheuer in Menschengestalt sympathisch wurde!
»Also gut«, sagte Abu Dun.
»Höre zuerst, was ich verlange. Ich will dich begleiten. Wenn schon nicht als dein Freund, dann als dein … ach, such dir was aus.«
»Begleiten?«
»Begleiten?«, fragte Andrej noch einmal.
»Aber ich weiß ja selbst noch nicht einmal, wohin ich will.«.
»Siehst du? Das ist genau meine Richtung. Lass mich eine Weile mit dir ziehen. Ich verlange nichts.«
»Da du bisher auch nichts geboten hast, ist das ein fairer Preis«, sagte Andrej. Er begann allmählich den Spaß an dem Spiel und damit die Geduld zu verlieren.
»Vielleicht weiß ich ja, wohin du willst«, sagte Abu Dun.
»Du suchst Rache, nicht wahr? Ich kann dir dazu verhelfen.«
»Und wie?«
»Der Mann in der roten Rüstung.« Andrejs Interesse erwachte schlagartig.
»Der Drachenritter? Du weißt, wer er ist?«
»Nicht wer«, antwortete Abu Dun hastig.
»Aber was.«
»Verdammt, sprich endlich!«, herrschte Andrej ihn an.
»Wer ist dieser Mann? Woher kennst du ihn?«
»Was, nicht wer«, korrigierte ihn Abu Dun noch einmal.
»Die Ritter des Drachenordens. Sie kämpfen gegen Selics Truppen wie gegen alle Osmanen, aber man sagt, das sie auch ihre eigenen Landsleute abschlachten, wenn gerade keine Muselmanen zur Stelle sind.«
»Der Drachenorden?«, wiederholte Andrej. Er suchte konzentriert in seinem Gedächtnis, aber da war nichts.
»Von dem habe ich noch nie gehört.«
»Seine Männer sind berüchtigt für ihre Grausamkeit«, sagte Abu Dun.
»Man sagt, sie hätten noch nie eine Schlacht verloren. Aber es sind nicht viele.«
»Eine Schlacht?« Andrej verzog angewidert das Gesicht.
»Das war keine Schlacht, Abu Dun. Er hat meine Leute verbrannt wie … wie Vieh!«
»So wie meine«, pflichtete ihm Abu Dun bei.
»Aber jetzt urteile nicht vorschnell, Deläny. Ich will ihn nicht verteidigen, aber wenn man zu sehr darauf versessen ist, den Falschen zu bestrafen, dann kommt der wirklich Schuldige vielleicht am En-de davon.« Für einen Mann wie Abu Dun war dies ein überraschend weitsichtiger Gedanke, fand Andrej. Er hatte nicht vergessen, was Domenicus gerufen hatte. Verbrennt die Hexen! Er würde es nie vergessen.
»Und wo finde ich diese … Drachenritter?«, fragte er.
»Das ist es ja, was ich nicht verstehe«, sagte Abu Dun.
»Wir sind viel zu weit im Osten. Sie herrschen über einen kleinen Teil des Gebiets, das zwischen Ost-, Süd- und Westkarpaten eingebettet ist … Die Sieben Burgen nennt ihr es, glaube ich.« Er meinte ganz offensichtlich Siebenbürgen, den östlichen Teil der Walachei, dachte Andrej, der von einigen Menschen auch Transsilvanien ge-nannt wird: Das Land jenseits der Wälder.
»Was tut der Ritter dann hier?«
»Das ist eine interessante Frage«, sagte Abu Dun.
»Auch ich weiß nicht viel über die Drachenritter. Nur so viel eben, das sie ihre Ländereien selten verlassen sollen, außer im Krieg. Aber ich habe niemals gehört, das einer von ihnen so weit im Osten gesehen worden wäre.« Er lachte leise.
»Es wäre auch tollkühn.«
»Warum?«
»Sultan Selic hat einen hohen Preis auf den Kopf jedes Drachenritters ausgesetzt«, antwortete Abu Dun.
»Und bei ihren eigenen Landsleuten sind sie auch nicht sonderlich beliebt.«
»Ein Zustand, den du ja kennen dürftest.«
»Ich habe niemals Menschen getötet, nur weil es mir Freude bereitet«, antwortete Abu Dun.
»Ich bin kein Heiliger. Ich bin nicht einmal ein ehrlicher Mann. Aber glaube mir, im Vergleich zu den Drachenrittern bin ich ein Ausbund an Frömmigkeit und Sanftmut.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Dein Freund Domenicus war nicht gut beraten, sich mit ihnen ein zulassen. Wie immer der Handel war, den er mit ihnen geschlossen hat: Er wird dabei schlechter stehen.« Andrej glaubte ziemlich genau zu wissen, warum Domenicus den Piratensegler in diese teuflische Falle gelockt hatte. Er hatte niemals vorgehabt, die Delänys leben zu lassen. Aber selbst in seiner Position als Vertreter der Heiligen Römischen Inquisition konnte er es sich kaum leisten, einhundert Menschen in aller Öffentlichkeit abzuschlachten. Wenn sie hingegen von einem Sklavenhändler verschleppt wurden und bei einem Befreiungsversuch starben … Und wenn besagter Sklavenhändler und seine gesamte Besatzung dabei gleich mit ums Leben
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