Der Vampyr
Mich!«
Verbrennt die Hexen! Einen ganz kurzen Moment lang hatte sich Andrej gefragt, ob Domenicus vielleicht von Abu Duns plötzli-chem Sinneswandel erfahren hatte und dieser heimtückische Überfall seine Antwort darauf war. Aber selbstverständlich war das un-möglich. Der Drachensegler war nicht aus dem Nichts aufgetaucht.
Eine Falle wie die, in die sie gelaufen waren, bedurfte langer und sehr sorgfältiger Vorbereitung. Er löste seinen Blick von der >Mö-
we< und dem brennenden Schiff davor und wandte sich dem Drachensegler zu. So wenig er Vater Domenicus und die beiden goldenen Ritter wirklich erkennen konnte, umso deutlicher sah er den Riesen in der blutfarbenen Rüstung. Sie verfehlte ihre Wirkung nicht.
»Ich werde ihn töten«, sagte Abu Dun.
»Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
»Nein«, sagte Andrej leise.
»Das wirst du nicht, Pirat.« Er stand auf.
»Ich werde es tun. Zuerst ihn und dann Domenicus und seine beiden Schergen.« Erlegte eine hörbare Pause ein, in der er Abu Dun durchdringend und eisig ansah.
»Und wenn es sein muss, jeden, der sich mir in den Weg stellt.«
Abu Dun wirkte für einen Moment regelrecht erschrocken, dann drehte er sich herum und schöpfte mit den Händen Wasser aus dem Fluss, um sich das Gesicht zu waschen.
»Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, das du mir das Leben gerettet hast, Hexenmeister«, sagte er.
»Ich werde dir zum Dank zwei Monate von deiner Schuld erlassen -
oder sagen wir besser drei. Niemand soll Abu Dun nachsagen, das ihm sein eigenes Leben nichts wert ist.«
»Schuld?« Andrej schüttelte den Kopf.
»Ich schulde dir nichts, Pirat. Unser Handel ist hinfällig. Deine Wa-re ist gerade verbrannt.«
»Und du sagst, ich wäre ein harter Verhandlungspartner?« Abu Dun spie ins Wasser, stand auf und zog eine Grimasse, als er mit spitzen Fingern die Brandblasen auf seinem Gesicht betastete.
»Du hast mich gerettet und den jungen nicht«, sagte er nachdenklich.
»Frederic kann auf sich selbst aufpassen«, antwortete Andrej. Er starrte weiter in Richtung des Drachenseglers. Auf dem großen Schiff waren mittlerweile gut zwei Dutzend Männer erschienen, aber Andrej hatte nur Augen für den Mann in der blutfarbenen Rüstung.
»Der junge ist so wie du«, sagte Abu Dun.
»Warum überrascht mich das nicht? Er wird trotzdem nicht besonders erfreut sein, das du ihn im Stich gelassen hast, um das Leben eines Piraten zu retten.«
»Er ist vor allem nicht so geduldig wie ich.« Andrej antwortete, oh-ne eigentlich zu wissen, was er sagte. Sein Blick brannte sich wäh-renddessen geradezu in den Drachenritter ein. Der Mann stand reglos wie eine aus rotem Stein gemeißelte Statue im Bug seines unheimlichen schwarzen Schiffes, das Gesicht in Richtung des brennenden Piratenseglers gerichtet, und trotzdem hatte Andrej das Ge-fühl, das er wußte, wer ihn vom Ufer aus beobachtete. Eine spürbare Bosheit schien von der Gestalt in der roten Rüstung auszugehen; reine Gewalt, die Gestalt angenommen hatte.
»Soll das eine Warnung sein?«
»Nein«, antwortete eine Stimme aus dem Wald hinter ihnen, bevor Andrej es tun konnte.
»Ein Versprechen. Gib mir einen Grund und ich reiße dir die Kehle heraus und trinke dein Blut.« Frederic stolperte aus dem Wald heraus und kam mit kleinen, ein wenig unsicher wirkenden Schritten auf ihn zu.
»Frederic«, sagte Andrej müde. Frederic sah aus zornig funkelnden Augen zu ihm hoch, aber er sagte nichts mehr, sondern ging wortlos an ihm und Abu Dun vorbei und stieg auf einen Felsen, der in Ufernähe aus dem Sand ragte. Es war vollkommen unnötig. Er mußte das nicht tun, um freie Sicht auf den Fluss und das brennende Schiff zu haben; Andrej kam sein Verhalten seltsam unangemes-sen vor. Vor allem, als er in sein Gesicht sah. Frederic war nicht entsetzt. Da war keine Trauer. Kein Zorn. Nicht einmal diese schreckliche, saugende Leere, die Andrej am Anfang gefühlt hatte und auch jetzt noch fühlte. Obwohl ihn der bloße Gedanke entsetz-te, schien ihm alles, was er auf Frederics Gesicht erblickte, so etwas wie gelindes Interesse zu sein. Er betrachtete den Tod all seiner Freunde und Verwandten auf die gleiche Weise, mit der er einem eindrucksvollen, aber nicht besonders originellen Schauspiel gefolgt wäre.
»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte Abu Dun.
»Dieser Teufel wird vielleicht das Ufer absuchen lassen, um sicher zu gehen, das es keine Überlebenden gibt.«
»Das braucht er nicht«, sagte Andrej
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