Der Vampyr
Ein Schiff wäre ideal, aber wir werden keines bekommen. Vielleicht sollten wir versuchen, uns Pferde zu besorgen.«
»Du meinst stehlen«, sagte Andrej.
»Hast du Geld dabei, um sie zu kaufen?«, fragte Abu Dun ungerührt. Er lachte.
»Keine Sorge, Christ. Ich will nicht, das dein Seelenheil Schaden nimmt, weil du gegen eines eurer Gebote verstößt. Ich werde uns eine Transportmöglichkeit besorgen. Und auch alles andere, was wir brauchen.«
»Du wirst niemanden töten«, sagte Andrej eindringlich.
»Natürlich nicht«, versprach Abu Dun.
»Ich schwöre es bei meinem Seelenheil.«
»Dann kann ich ja ganz beruhigt sein«, sagte Andre j spöttisch.
»Sei nicht zu unbesorgt«, warnte Abu Dun.
»Wie ich dir bereits sagte: Wir werden bald auf Sultan Selics Truppen stoßen. Ich bin einigermaßen sicher, das sie mir nichts tun werden, aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein.« Er wiegte den mächtigen Schädel.
»Ihr seid Christen. Es wird nicht leicht zu erklären sein, wieso ihr in meiner Begleitung reist.«
»Nicht anders wird es uns in deiner Begleitung gehen«, sagte Andrej. Worauf wollte Abu Dun hinaus?
»Genau wie umgekehrt«, bestätigte der Pirat.
»Das Beste wird sein, ich gebe euch als meine Sklaven aus, sollten wir auf Männer des Sultans treffen.« Frederic riss die Augen auf und Andrej ergänzte rasch:
»Und natürlich sagen wir das über dich, wenn es christliche Truppen sind.«
»Natürlich«, sagte Abu Dun.
»Du scherzt«, mischte sich Frederic ein.
»Du willst nicht im Ernst … «
»… am Leben bleiben?«, unterbrach ihn Andrej.
»Doch.«
»Bis dahin vergeht noch Zeit«, sagte Abu Dun rasch.
»Tage. Die Gegend hier ist ziemlich ruhig. Es gibt nichts von Interesse. Das ist ja der Grund, aus dem ich mich hier zum … Geschäf-temachen treffen wollte.« Frederic entging das Stocken in Abu Duns Stimme nicht. Seine Augen wurden schmal.
»Es ist genug jetzt«, sagte Andrej.
»Lasst uns eine Weile ausruhen, bis unsere Kleider getrocknet sind.
Danach brechen wir auf.«
»Etwas zu essen wäre nicht schlecht«, sagte Abu Dun.
»Ich sterbe vor Hunger.«
»Die Wälder sind voller Wild«, sagte Andrej.
»Warum schwatzt du dem Wald nicht einen fetten Braten ab?«
»Warum schneiden wir dir nicht eine Hand ab und braten sie?«, fragte Abu Dun.
»Sie wächst doch sicher nach.« Er warf einen Ast ins Feuer und sah zu, wie er knackend zerbarst und einen kleinen Funkenschauer aufsteigen ließ.
»Kannst du schwimmen, Hexenmeister?«, fragte er.
»Ich kann nicht auf dem Wasser gehen, wenn du das meinst«, sagte Andrej spöttisch.
»Ich meine: Musst du atmen, wenn du unter Wasser bist?«
»Genau wie du«, bestätigte Andrej.
»Aber ich kann die Luft ziemlich lange anhalten. Warum?«.
»Mein Schiff«, antwortete Abu Dun.
»Der Fluss ist nicht sehr tief, dort, wo es gesunken ist. jemand könnte hinuntertauchen und etwas von dem Gold in meiner Schatztruhe holen. Wir könnten es sehr gut gebrauchen.«
»Warum tust du es nicht selbst?«, fragte Andrej.
»Du kennst dich besser auf deinem Schiff aus als ich.«
»Im Prinzip schon«, sagte Abu Dun ausweichend.
»Es gibt da nur … eine kleine Schwierigkeit.«
»Und welche?«, Abu Dun druckste einen Moment herum.
»Ich kann nicht schwimmen«, gestand er endlich. Andrej blinzelte verwirrt.
»Wie?«
»Ich kann nicht schwimmen«, wiederholte Abu Dun finster.
»Ich habe es nie gelernt. Wozu auch? Ich hatte ein Schiff.«
»Ein Pirat, der nicht schwimmen kann?«, fragte Andrej ungläubig.
»So wie ein Hexenmeister, der nicht hexen kann.«
»Ich bin kein Hexenmeister.«
»Und ich kein Pirat.« Abu Dun zog eine Grimasse.
»Was ist? Wirst du es tun?« Andrej überlegte einen Moment. Er war ein ausgezeichneter Schwimmer und er konnte lange die Luft anhalten; möglicherweise wirklich lange genug, um zum Wrack des Sklavenseglers hinabzutauchen und etwas aus Abu Duns Gemach zu holen. Der Pirat hatte Recht: Sie würden jede einzelne Münze, die er vielleicht aus dem versunkenen Piratenschiff bergen konnte, brauchen. Aber es war riskant. Das Wasser war eiskalt und er hatte die enorme Kraft der Strömung am eigenen Leib gespürt. Er kannte sich auf dem Schiff nicht aus und dazu kam, das er nicht wußte, in welchem Zustand sich das Wrack befand. Griechisches Feuer entwickelte eine unvorstellbare Hitze. Möglicherweise war von Abu Duns Schatz nichts mehr da.
»Also gut«, sagte er.
»Wir warten eine Weile. Wenn sie verschwunden sind, versuche ich
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