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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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Gespräch hatten wir auch schon geführt. «Gib nicht auf», sagte ich zu ihr, aber ich konnte sehen, dass sie es bereits getan hatte. Wie es schien, war ich als Einziger dumm genug, die Hoffnung auf eine Rettung meines Sohnes zu bewahren.
    «Ich bin jetzt achtundvierzig Jahre alt», sagte sie, «und ich habe mein Leben nie in den Griff bekommen. Ich habe nie kapiert, wie ich beruflich Erfolg haben oder in einer funktionierenden Beziehung leben kann. Ich habe meine Figur nach Dannys Geburt nie zurückgewonnen und niemals gelernt, Verschiedenes gleichzeitig zu tun. Und jetzt ist es zu spät. Danny war das Einzige, worauf ich je stolz war, und dann macht er so was.»
    «Er war es nicht», sagte ich.
    «Wie kannst du das sagen?», fragte sie. «Er hat es gestanden. Er ist verurteilt.»
    Ich überlegte, ob ich ihr sagen sollte, was ich über Cobb und Hoopler und die Möglichkeit wusste, dass unser Sohn nicht selbst geschossen hatte oder einer Gehirnwäsche unterzogen worden war. Aber die Entfernung zwischen uns war zu groß. Ich sah ihr an, dass sie nach Vergebung suchte, nicht nach neuen Informationen. Sie brauchte die Gewissheit, dass sie nicht der Grund für Dannys Untergang war. Dass die Welt sie nicht nur als die Mutter eines Mörders in Erinnerung behalten würde.
    «Ich glaube, er deckt jemanden», sagte ich.
    Sie sah mich an, verzweifelt, verärgert, als wäre ich ein Betrüger, der sie bereits einmal ausgenommen hatte und immer noch mehr wollte. «Aber wie willst du das beweisen?», wollte sie wissen.
    Ich zuckte mit den Schultern. Ellen starrte eine lange Weile aus dem Fenster. Eine Locke fiel ihr ins Gesicht, und ich empfand eine zärtliche Zuneigung für sie wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Wir hatten uns einmal geliebt, waren vor den Altar getreten und hatten uns ewige Treue geschworen, in guten wie in schlechten Zeiten. Wir hatten ein Kind bekommen, es jahrelang gemeinsam aufgezogen, waren nachts abwechselnd aufgestanden, um nach ihm zu sehen. Erst als unsere Auseinandersetzungen zu schlimm wurden, hatte ich uns aufgegeben.
    «Wir waren so jung, als wir uns kennenlernten …», sagte ich. «Es ist kaum zu glauben.»
    Es hatte angefangen zu regnen, und die Rinnsale liefen über ihr Spiegelbild im Fenster.
    «Du warst ein süßer Arzt auf einer Party», sagte sie. «Ich war seit zehn Minuten in der Stadt und dachte, ich würde nur Filmstars kennenlernen.»
    «Ich trug meine Krankenhaussachen, und du wolltest wissen, ob ich mich verkleidet hätte.»
    Sie lächelte wehmütig. «Ich bringe immer alles durcheinander. Wenn Danny mich bat, ihm bei den Hausaufgaben zu helfen, habe ich nur gesagt: ‹Das ist keine gute Idee.›»
    Nach einer Pause sagte ich: «Ich weiß, wir haben das schon hundertmal überlegt, aber gab es da irgendwas? Wenn du zurückdenkst, gab es da etwas, das wir hätten tun können? Ist uns etwas entgangen? Ein Warnzeichen?»
    Sie überlegte. «Er schien nie so an Mädchen interessiert», sagte sie. «Ich meine, er hatte Freundinnen, aber er schien nie wirklich engagiert.»
    Ich überdachte das. «Was noch?»
    «Ein paarmal habe ich ihn erwischt, wie er mit seinen Freunden Pot geraucht hat. Da war er dreizehn, vierzehn. Ich hatte den Hörer schon in der Hand und wollte dich anrufen, aber dann hab ich’s nicht getan, weil ich wusste, du würdest mir die Schuld geben. Dass du es irgendwie zu meinem Fehler machen würdest.»
    «War ich wirklich so schrecklich?», fragte ich und fühlte mich merkwürdig verletzt, weil sie das gedacht hatte. Dass sie mich, ihren Exmann, so gesehen hatte. Wie ein strafendes Ungeheuer.
    «Du hattest über jeden dein Urteil», sagte sie. «Über mich ganz besonders. Ich glaube, ich war dir peinlich. Du warst ein erfolgreicher Arzt und ich ein Wirrkopf, der nicht mal das College zu Ende gebracht hatte, und dann bekamen wir ein Kind, und du dachtest, du wüsstest alles besser. All deine komplizierten Theorien zur Kindererziehung. Aber weißt du, was das Wichtigste für Eltern ist, Mister Nobel-Doktor? Dass sie für ihre Kinder da sind, und ich war jeden Tag für dieses Kind da. Sag, was du willst, aber das war ich. Das kann mir niemand nehmen.»
    Ich streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand. Sie wollte sie instinktiv zurückziehen, aber ich ließ nicht los. «Das weiß ich doch», sagte ich, «und ich will dir dafür danken. Ich bin derjenige, der weggegangen ist, ich gebe es zu. Ich bin weggegangen und habe euch im Stich gelassen. Ich habe ihn im Stich

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