Der Vater des Attentäters (German Edition)
mitteilte, Daniel werde nicht kommen. Tags darauf wurde mir bereits am Tor gesagt, mein Sohn habe darum gebeten, dass mir der Besuch verwehrt werde. Ich störte mich nicht daran. Zwei Wochen lang fuhr ich jeden Tag zum Gefängnis, nur um abgewiesen zu werden. Ich stand in Staus, fuhr trotz schlechtem Wetter, hörte Hate Radio, Classic Rock und National Public Radio. Ich fuhr so oft zum ADMAX , dass ich im Schlaf gelbe Linien sah, aber Daniel weigerte sich, aus seiner Zelle zu kommen. Jeden Tag bat ich die Wärter, ihm mitzuteilen, dass ich da sei. Ich tat es, damit ihm klar wurde, ich war sein Vater. Ich würde ihn nicht aufgeben. Ich hatte so viele Fehler gemacht. Ich hatte ihn alles zerstören lassen, aber ich war immer noch sein Vater.
Die Heimlichkeit meiner Besuche, ihre Häufigkeit, das alles begann sich wie eine Affäre anzufühlen. Zum ersten Mal in meinem Leben begriff ich, wie es sein konnte, dass sich ein Mann auf eine Geliebte einließ. Es war nicht der Sex. Es war das Überschreiten dieser Grenze, das Wissen, etwas Falsches zu tun. Indem man es trotzdem tat, entfernte man sich in vieler Hinsicht von sich selbst. Ein Mann baut sich eine Existenz auf. Er gründet eine Familie. Er liebt seine Kinder, mag seine Arbeit, aber eines Tages trifft er eine Frau, und gegen alle Vernunft beginnt er Stein für Stein das Aufgebaute wieder einzureißen. Wer ist dieser Mann? Ist er noch derselbe, der das alles geschaffen hat? Oder ist er ein anderer? Ein Hochstapler?
Ist er Carter Allen Cash?
Ich fuhr in meinem gebrauchten Jeep vom ADMAX zurück Richtung Norden. Ich stand auf der Driving Range und versuchte, meinen Ball fünfzig, siebzig, zwanzig Meter weit zu schlagen. Ich verschränkte meinen kleinen Finger der einen mit dem Zeigefinger der anderen Hand, zog die Hüllen von meinen Drivern, wischte Schmutz von den Eisen.
Ich rief Murray vom Münzfernsprecher an. «Wir müssen Hoopler finden», sagte ich. «Er ist der Schlüssel.»
«Da müssten wir bei der CIA anheuern», sagte er. «Sonst wüsste ich nicht, wie wir den aufspüren sollen. Der Kerl ist ein Geist. Buchstäblich. Was heißt, dass es ihn vielleicht nicht mal mehr gibt. Cobbs Leiche ist in einem Graben gefunden worden, Hoopler könnte auf dem Meeresgrund liegen.»
Ich joggte in der Mittagshitze bergauf und bergab und atmete durch den Mund. In mein Büro in der Uni ging ich nur unregelmäßig. Ich bat meine Studenten, mir ihre Fragen zu mailen. Die E-Mails beantwortete ich um zwei oder drei Uhr morgens. Ich erklärte den Studenten die Lücken in ihrer diagnostischen Vorgehensweise und ermutigte sie, erneut über bestimmte Symptome nachzudenken. Schlaflosigkeit war zu einem anderen Wort für Schlafenszeit geworden. Wenn die anderen zu Bett gegangen waren, setzte ich mich auf die Terrasse hinter unserem Haus und sah zu, wie der Mond langsam über den Himmel wanderte.
Wenn mein Sohn mir keine Antworten gab, hatte ich gedacht, musste ich sie anderswo finden.
Und jetzt waren sie da.
Nadia stand in der Küche und lächelte uns unsicher an. Sie war noch nicht ganz angekommen.
«Sprudel?», fragte sie hoffnungsvoll.
Ich überlegte einen Moment lang, was das Wort mit unserer Unterhaltung zu tun haben mochte, und fand nicht gleich zurück in die Situation.
«Natürlich», sagte ich und ging zum Kühlschrank. «Entschuldigen Sie.»
Sie nahm das Mineralwasser und lächelte wieder. «Spasiba» , sagte sie.
«Ist sie nicht toll?», sagte Murray, den Mund voller Pasta. «Ich habe sie in einem Nachtclub kennengelernt. Sie ist aus Minsk und studiert in Queens an einem Kosmetikinstitut. Ich habe sie gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit mir nach Kalifornien zu kommen, aber ich bin nicht sicher, ob ihr klar war, dass wir fahren und nicht fliegen würden.»
Das Tagebuch fühlte sich wie ein Anker an, der mich abwärts zog. Ich legte es hin und sagte: «Ich glaube, ich verkrafte das nicht.»
«Legen Sie es in eine Schublade», sagte Murray. «Verbrennen Sie es. Ich wollte nur, dass Sie es sehen. Dass Sie wissen, es ist da. Für Ihren Seelenfrieden, aber es könnte auch bei einer Berufung helfen, falls Sie sich entscheiden, diesen Weg zu gehen.»
Er biss auf eine Kirschtomate, Kerne spritzten auf seine Jacke. «Sind Sie je Motorrad gefahren, Paul?», fragte er und wischte über den Fleck. «Ich habe eine Todesangst auf dem Ding, fahre aber trotzdem damit. Warum? Weil ich ein Mann bin. Wenigstens sollen Frauen wie Nadia das denken. Gott segne die jungen Frauen.
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