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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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konnte. Gestern Abend hatte er die Pistole ausgewählt, eine STI Trojan, 9mm, die er in einem Leihhaus in Long Beach gekauft hatte. Bei Lucky’s. Auch das war ein Zeichen. Er wohnte im Moment bei Mexican Bob, wo er auf einer Pritsche in der Waschküche schlief. Es war ein kleines Drei-Zimmer-Haus, das die Mexikaner so aufgeteilt hatten, dass zwölf Mann darin schlafen konnten. Als alle im Bett lagen, hatte Carter die Pistole hervorgeholt, sie geputzt, den Schlagbolzen überprüft und sie mit Winchester Silvertips geladen. Die Pistole hatte einen dünneren Griff, als er es mochte, aber es hieß, dass sie bis vierzehn Meter punktgenau schoss, und er war auf dem Schießstand gut mit ihr zurechtgekommen. Beim Schießen hatte er sich an Bonnie Kirkland erinnert, und wie sie ihm gesagt hatte, er solle die Hand ruhig halten, die Knie leicht beugen und beim Abdrücken nicht atmen. Er dachte an John Hinckley, und wie er auf der Connecticut Avenue in die Hocke gegangen war. Carter stellte sich vor, dass es nicht schwer sein würde, einen Mann auf einer Bühne zu treffen, besonders wenn er, wie Carter annahm, von Scheinwerfern angestrahlt wurde. Zwei Schüsse, drei, um sicherzugehen, und dann … was? Sich ergeben? Die Pistole fallen lassen und davonlaufen?
    Falls seine Überlegungen von Gefühlen begleitet wurden, gestand er sie sich nicht ein. Die Zeit für Gefühle war vorbei. Sie waren wie Treibsand, der einen verschlang, ein Teufelskreis, der enger und enger wurde, wenn er an seine Zeit in Montana dachte. Er saß auf seiner Pritsche und erinnerte sich, wie ihm sein Vater einmal erklärt hatte, dass ein Arzt, wenn er eine Diagnose zu stellen hatte, seine Gefühle beiseitelassen müsse. Das Einzige, was er zu betrachten habe, seien die Fakten, und genau das war es, worauf sich Carter konzentrierte, die Fakten:
    Fakt 1: Carter Allen Cash war ein Wolf und kein Schaf. Das hieß, dass er handeln konnte, wenn andere zögerten. Es lag in seiner Natur.
    Fakt 2: Der Präsidentschaftskandidat war ein Betrüger. Er gerierte sich als Held, tatsächlich aber war er ein Lügner.
    Fakt 3: Die Menschen wurden vom Kandidaten hinters Licht geführt.
    Fakt 4: Wenn es dazu kam, dass der Kandidat die Wahl gewann, würden die Menschen unter den Folgen leiden.
    Fakt 5: Carter Allen Cash musste den Kandidaten stoppen.
    Fakt 6: Die einzige Möglichkeit, den Kandidaten zu stoppen, bestand darin, ihn zu töten.
    Er saß auf seiner Pritsche und lud seine Pistole. Patrone für Patrone schob er mit dem Daumen in das Magazin. Am nächsten Tag brachte er saubere Kleider zum Umziehen mit zur Arbeit. Die Pistole lag in ein T-Shirt gewickelt unten in seiner Tasche. Um vier Uhr zog er sein Hemd aus, wusch sich mit dem Wasser aus einem Schlauch und zog sich in der Toilettenkabine um. Bevor er das orangefarbene Häuschen verließ, fuhr er mit der Hand über die beruhigende Wölbung der umwickelten Pistole unten in seiner Tasche. Draußen sagte Mexican Bob zu ihm, er und ein paar von den cabrones wollten zum Whittier Boulevard, da gebe es cervezas und putas . Ob Carter auch Lust hätte, mal wieder so richtig borracho zu sein? Carter schüttelte den Kopf und sagte, er sei schon mit einem Mädchen verabredet, drüben beim College.
    Im Bus hielt er die Tasche mit beiden Händen. Er beobachtete, wie eine Asiatin ihre Tochter ausschimpfte, die unterwürfig den Kopf senkte und die Strafpredigt ihrer Mutter über sich ergehen ließ. Neben der Pistole hatte er eine Rolle Isolierband in der Tasche, die er am Nachmittag auf der Baustelle hatte mitgehen lassen.
    Auf dem Campus ging er durch die baumgesäumten Straßen und sah wie ein Student aus. Er trug eine verblichene orange-weiße Baseballkappe mit dem Longhorn-Zeichen über dem Schirm und schluckte den Spott der hiesigen Verbindungsstudenten, ohne mit der Wimper zu zucken. Geh zurück nach Texas, Weichei . Im Saal von Royce Hall sah er sich nach einem Platz für seine Pistole um. Von seiner Wahlkampfarbeit wusste er, dass die Leute vom Secret Service das Gebäude wenigstens zwei Tage vor der Veranstaltung schon absperren würden. Wenn er die Pistole also nicht vorher drinnen versteckte, würden sie ihn mit den Metalldetektoren erwischen. Dann kam er mit ihr nicht hinein.
    Er überlegte, ob er die Pistole unter einen Sitz im Zuschauerraum kleben sollte, dachte aber, die Sicherheitsleute würden da wahrscheinlich alles durchsuchen. Im Übrigen gab es keine Garantie, dass er dann im richtigen Moment auch den Platz mit

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