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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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nachdem dieser Abraham Lincoln erschossen hatte. Weil er Booth medizinisch versorgt hatte, wurde Mudd als Komplize angeklagt und eingesperrt, sein Name zu einem Symbol für Schande und Abscheu.
    «Doktor Allen», sagte Tolan, kurz bevor sich die Aufzugstüren öffneten. «Nichts für ungut, aber wenn Ihr Sohn es tatsächlich war, hoffe ich, er bekommt die Todesstrafe.»
    Die fünfte Etage des Nordturms war völlig geräumt worden, Danny hatte den ganzen Flügel für sich allein. Vor dem Schwesternzimmer und an den Ausgängen standen Männer vom Secret Service. Zwischen Ärzten und Pflegepersonal sah ich einige Beamte des Los Angeles Police Department sowie weitere Männer in Anzügen, die ich ebenfalls dem Secret Service oder dem FBI zuschrieb. Ich zog die Anzugjacke etwas enger um mich, damit man den Fleck auf dem Hemd nicht sah, und fühlte mich in dem Moment fürchterlich klein und unterlegen.
    «Ich würde gern den Krankenbericht meines Sohnes sehen», sagte ich.
    Tolan sprach mit den Leuten vom Secret Service. Er sagte, ich solle die Arme heben. Ich wurde abgetastet, und jemand fuhr mir mit einem Metalldetektor über den Körper. Ich gab meinen Pager ab, meine Brieftasche, Schlüssel, Gürtel und Schuhriemen. Ich durfte nichts bei mir haben, womit sich mein Sohn verletzen oder was ihm zur Flucht verhelfen konnte. Endlich kam Tolan mit einem älteren Mann in einem weißen Arztkittel an.
    «Das ist Doktor Coppola», sagte er.
    Ich streckte die Hand aus.
    Coppola zögerte einen Moment, bevor er sie schüttelte. «Ich habe im letzten Jahr Ihren Artikel über die Fibromyalgie gelesen», sagte er.
    Ich nickte. Er gab mir Dannys Bericht.
    «Ihr Sohn kam mit einer Schusswunde im linken Oberschenkel zu uns. Die Kugel steckte direkt beim Oberschenkelknochen, in Arteriennähe. Dazu kamen mehrere Prellungen im Gesicht und an den Armen, die, wie ich annehme, dabei entstanden sind, als die Polizei ihn überwältigen musste.»
    Ich spürte Wut in mir aufsteigen, schluckte sie jedoch hinunter. «Blutverlust?», fragte ich.
    «Minimal», sagte Dr. Coppola. «Eine lokale Betäubung hat ausgereicht, um die Kugel zu entfernen und die Wunde zu vernähen. Wir beobachten ihn wegen einer möglichen Infektion, aber meiner Meinung nach sollte er in ein paar Tagen wieder auf den Beinen sein.»
    Ich verspürte Erleichterung, dann mit einem Mal Panik. Jetzt, da ich ihn medizinisch versorgt wusste, musste ich mich gezwungenermaßen mit anderen als praktischen Fragen beschäftigen.
    «Wer hat auf ihn geschossen?», fragte ich.
    «Das wissen wir nicht sicher», sagte Tolan. «Kein Beamter, der im Saal anwesend war, hat angegeben, seine Waffe abgefeuert zu haben. Nach den ersten Berichten, die uns vorliegen, hat sich der Schuss während des Gerangels aus Daniels Waffe gelöst. Die Kugel ist in sein eigenes Bein gedrungen.»
    Aus Daniels Waffe . Die Worte klangen lächerlich. Daniel hasste Waffen. Er hasste Jäger. In der Highschool hatte er zwei Jahre lang kein Fleisch gegessen.
    «Sie wollen damit sagen, er hat sich selbst ins Bein geschossen?», fragte ich.
    «Im Moment ist das unsere Vermutung.»
    Wie praktisch, dachte ich. «Hat er nach einem Anwalt verlangt?», fragte ich weiter.
    «Soweit wir wissen», sagte Tolan, «hat Ihr Sohn seit seiner Verhaftung kein Wort gesprochen.»
    Ich sah ihnen in die Gesichter, las ihre Blicke. Sie alle waren überzeugt, dass er es gewesen war. Er war ein Ungeheuer und ich, sein Vater, bestenfalls ein trauriger, mitleiderregender Mann, wahrscheinlich jedoch von fast schon krimineller Pflichtvergessenheit. Schließlich kommen Ungeheuer nicht als Ungeheuer auf die Welt. Sie werden durch Misshandlung und Vernachlässigung dazu gemacht, und wer sonst konnte da die Schuld tragen, wenn nicht die Eltern? Selbst Tolan, der noch am meisten Mitgefühl gezeigt hatte, hielt sich tunlichst nicht zu nah neben mir auf.
    «Ich möchte ihn sehen», sagte ich.
    Tolan sprach erneut mit einem der Männer vom Secret Service, und dann – es war der Morgen des 15. Juni gegen 4.40 Uhr – wurde ich zu meinem Sohn geführt.

 
     
    Am Tag nach der Ermordung Robert Kennedys waren die ersten Verschwörungstheorien zu hören, wie giftiges Öl drangen sie aus dem Boden. Sein Bruder John F. Kennedy war vier Jahre zuvor erschossen worden, und damals war monatelang von mehreren Schützen die Rede gewesen, von Eisenbahn-Hobos und kubanischen Killerkommandos. Gerade mal zwei Monate vor dem Attentat auf Robert Kennedy wurde Martin Luther

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