Der Vater des Attentäters (German Edition)

Patrone, und während Ellroy das lächerliche Ding auf den Angestellten gerichtet hielt, ging Busby zum Kühlschrank und holte einen Sechserpack Bier heraus. Auf dem Rückweg wollte er eine der Flaschen mit seinem Schlüsselanhänger aufmachen, ließ sie dabei aber fallen. Das Zerbersten der Flasche ließ Ellroy herumfahren, worauf der Angestellte nach der Pistole unter der Ladentheke griff. Busby schrie: «Pass auf!», und Ellroy feuerte den einzigen Schuss aus seinem Revolver ab. Er traf den Angestellten in die Schläfe. In der Kasse waren fünfundsechzig Dollar.
    Ellroy wurde zu fünfundzwanzig Jahren bis lebenslänglich verurteilt. Achtzehn davon saß er ab, dann starb er drei Jahre später, nachdem er betrunken in eine Schneewehe geraten war und die Besinnung verloren hatte.
    Ein unglückseliger bewaffneter Räuber und ein politischer Attentäter. Gab es da am Ende eine genetische Verbindung? Die Frage ließ sich nicht leicht beantworten. Da Ellroy nur der Halbbruder meines Vaters war, war es ebenso gut möglich, dass es Margies Gene waren, ihr Arbeiterblut, das in Ellroy floss, und nicht das meines Vaters.
    Allerdings galt es, noch einen weiteren Faktor in die Diagnose miteinzubeziehen: Offenbar neigte mein Großvater, Darryl Allen, zu Gewaltausbrüchen. Als standhafter Konservativer war er ein Verfechter der Prügelstrafe, die er mit seinem Gürtel vollzog. Das vorrangige Opfer seiner «Züchtigungen» war Ellroy, das schwarze Schaf, aber auch mein Vater bekam seinen Teil ab, zum Beispiel, wenn er eine schlechte Note nach Hause brachte oder sich erst nach der festgesetzten Zeit ins Haus schlich. Waren diese Schläge Zeichen einer angeborenen gewalttätigen Natur oder einfach nur die Befolgung von Erziehungsprinzipien? Wenn es ein angeborener Charakterzug war, wenn mein Großvater also tatsächlich ein gewalttätiger Mensch war, war es dann möglich, dass er auch der Grund für Ellroys Aggressivität war? Aber selbst wenn Darryl gewalttätig war, konnte diese Aggressivität ebenso gut anerzogen wie genetisch vererbt sein, und Angelerntes vererbt man nicht weiter.
    Während der letzten Jahre haben Wissenschaftler an Mäusen zu erforscht, ob Aggressivität erblich ist. Durch Zuchtverfahren haben sie Gene zu identifizieren versucht, die zu verstärktem aggressiven Verhalten führen. Die meisten Studien konzentrieren sich auf den Polymorphismus von Serotonin- und Dopamin-Rezeptoren und von die Neurotransmitter metabolisierenden Enzymen. Im Besonderen scheinen die Serotonin-5- HT -Rezeptoren einen Einfluss auf die Aggressivität unter Männern zu haben, entweder direkt oder durch andere Moleküle, die den 5- HT -Weg benutzen. Normalerweise wird die Aggressivität bei Tieren und Menschen durch das Serotonin-5- HT gedämpft. Fehlen Mäusen die spezifischen Gene für den 5- HT -Mechanismus, lassen sich erhöhte Aggressivitätswerte messen, und die betreffenden Mäuse greifen schneller und brutaler an.
    Andere Studien konzentrieren sich auf die Neurotransmitter selbst. Untersuchungen zu Mutationen der die Neurotransmitter metabolisierenden Monoaminooxidase- A begründen nachgewiesenermaßen ein Syndrom, das bei Menschen Aggressivität und ein impulsives Wesen mit umfasst.
    Aggressivität konnte also einen genetischen Ursprung haben. Aber waren die Gene in Dannys Fall von Bedeutung? Und zum Vergleich: Betrachtete man die gewalttätigsten Menschen der Geschichte, fand sich ihre Gewalttätigkeit dann in ihren Abstammungslinien wieder? Nehmen wir Charles Manson, den vielleicht berüchtigtsten Mörder dieses Landes. Manson war in den späten sechziger Jahren für die brutale Ermordung von wenigstens sechs Menschen verantwortlich, darunter der Schauspielerin Sharon Tate, der Frau des Regisseurs Roman Polanski. Tate war im achten Monat schwanger, als sie mit etlichen Messerstichen getötet wurde. Manson hatte sich mit drogensüchtigen Anhängern umgeben, seiner «Family», die ihm dabei helfen wollte, einen Rassenkrieg zu entfachen. Nach seiner Verhaftung saß er mit einem in die Stirn geritzten Hakenkreuz im Gerichtssaal. Während der vorangegangenen zehn Jahre hatte Manson mit verschiedenen Frauen mehrere Söhne gezeugt. Aber in den vierzig Jahren darauf hatte keiner dieser Männer ein einziges Gewaltverbrechen begangen.
    Dann war da Gary Gilmore, der sieben Jahre nach den Manson-Morden zum bekanntesten Verbrecher Amerikas wurde. Im Sommer 1976 beging Gilmore in Utah zwei Raubüberfälle, bei denen er seine Opfer kaltblütig