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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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erschoss. Wie Manson hatte er seit seiner Jugend immer wieder im Gefängnis gesessen und war von seinem Vater, wie auch seine Brüder, gewohnheitsmäßig verprügelt worden, oft ohne Grund. Die Gilmores waren eine Familie von Hausierern und religiösen Fanatikern, und Gary wurde auch deshalb so bekannt, weil er nach seinem Todesurteil von einem Erschießungskommando hingerichtet werden wollte. Als Sohn einer Mormonin hing er der Idee der Blutsühne an, die besagt, dass die einzige Möglichkeit, das Vergießen von Blut zu sühnen, darin besteht, das eigene Blut zu vergießen, und so wählte er, vor die Wahl gestellt, wie er zu Tode kommen wolle, ein Erschießungskommando und wurde am 17. Januar 1977 von fünf Männern hingerichtet. Seine letzten Worte waren: «Es wird immer einen Vater geben.»
    Es wird immer einen Vater geben? Was bedeutete das? Wollte er seinem Vater die Schuld an seinen Verbrechen zuschieben? Oder redete er von Gott?
    Es stimmt, Gilmore stammte aus einer Familie voller Krimineller, aber selbst wenn ihm die Gewalt im Blut und in den Genen lag, war er doch in vieler Hinsicht ein Produkt seiner Umwelt, der Gefängnisse, in denen er gesessen hatte, und der Schläge seines Vaters.
    Das alles passte nicht auf meinen Sohn. Keiner dieser Mörder hatte auch nur irgendeine Ähnlichkeit mit Daniel, nicht zuletzt, weil spontane Aggressivität und vorsätzliches Handeln zwei unterschiedliche Dinge waren. Der Mord an Senator Jay Seagram, der meinem Sohn angelastet wurde, hatte letztlich nichts mit einer Affekttat zu tun. Es war ein Akt kalter Berechnung, sorgfältig geplant und ausgeführt.
    Aber wenn diese Tat kein Akt der Leidenschaft war, begangen zu einer Zeit im Leben eines jungen Mannes, da er von Leidenschaften verzehrt wird, was war es dann? Mein Sohn hatte sich nie aggressiv gezeigt, er war immer ein friedliches Kind gewesen. Ein Pazifist.
    Als ich das Ellen gegenüber ansprach, erinnerte sie mich an die Sache mit den Spinnen. Danny war damals dreizehn gewesen und lebte noch bei ihr. Ellen rief mich eines Tages an und sagte, sie habe ein Glas voller toter Spinnen in Dannys Zimmer gefunden.
    «Was für Spinnen?», fragte ich.
    «Ich weiß nicht, was für welche es sind, aber es sind eine ganze Menge, und ehrlich, ich hätte mich fast übergeben. Du weißt, wie ich auf Spinnen reagiere.»
    Ich sagte, sie solle das nicht dramatisieren. Vielleicht sei es ein Projekt für die Schule.
    «Warum hält er sie dann in seinem Schrank versteckt?», fragte sie.
    Ich erinnerte sie daran, dass sie direkt neben einem öffentlichen Park wohnten, und da gebe es viele Spinnen. «Vielleicht hat Danny als Kind eine Angst vor ihnen entwickelt», sagte ich, «und versucht sie auf diese Weise zu besiegen. Im Übrigen wissen wir nicht, ob er sie überhaupt getötet hat, vielleicht hat er ja auch nur tote gesammelt.»
    «Klar, weil die nun mal zu Hunderten herumliegen», sagte sie.
    Danny sei ziemlich wütend geworden, als sie ihn danach gefragt habe, erzählte sie noch, und habe ihr vorgeworfen, ihm nachzuspionieren und seine Sachen zu durchsuchen. Ich fand, das klang ganz nach einer völlig normalen Teenager-Reaktion.
    Wir legten auf, und ich vergaß das Gespräch gleich wieder. Im Jahr darauf, als Danny wieder einmal bei uns zu Besuch war, fand Alex eine Spinne in seinem Zimmer und wollte sie töten, aber Danny hielt ihn davon ab. Ich weiß noch, wie er sie in einem Glas fing und draußen wieder freiließ.
    Als ich jetzt an die beiden Vorfälle dachte, fragte ich mich, was sie zu bedeuten hatten. Drei Monate brachte ich nun schon damit zu, Hinweise und Material zu sammeln. Akribisch listete ich sämtliche Erinnerungen auf, die mir zu einer Diagnose verhelfen konnten, zu einer definitiven Antwort auf die Frage, wer Danny war und warum er sich so verhielt, wie er es tat. Und doch konnte im Leben alles unterschiedlich interpretiert werden.
    Wir sehen die Vergangenheit durch das Prisma unserer Wahrnehmung. Wenn einem Menschen vorgeworfen wird, ein Verbrechen begangen zu haben, sucht man sein Leben nach entsprechenden Mustern ab. Vorfälle, die einem bis dahin bedeutungslos erschienen sind, spielen mit einem Mal eine Rolle. Hör zu, er hat Spinnen umgebracht. Das muss ein frühes Warnzeichen gewesen sein . Aber wird der Umstand, dass ein Junge Spinnen umgebracht hat, nicht dadurch aufgewogen, dass er sich später die Mühe machte, sie zu retten?
    Ich versuchte mir meinen dreizehnjährigen Sohn vorzustellen, wie er systematisch

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