Der Vater des Attentäters (German Edition)

Leben. Er war 1985 in Lexington, Kentucky, geboren, hatte nach Abschluss der Highschool mit Hilfe eines Football-Stipendiums ein staatliches College besucht, bis sein Knie Probleme machte und er aus der Mannschaft genommen wurde. Drei Monate später verließ er das College. Gemäß den Unterlagen hatte Cobb dann ein Jahr lang nichts Rechtes getan und sich mit Billigjobs in der Gegend von Lexington über Wasser gehalten. Einmal war er wegen des Besitzes von Marihuana verhaftet worden, einmal wegen Fahrens unter Marihuanaeinfluss, wurde aber in beiden Fällen freigesprochen. Er stellte einen Antrag auf Ausstellung einer Heiratserlaubnis für ihn und eine gewisse Marilyn Duncan, die amtliche Bewilligung schien jedoch zu fehlen. Es war also nie zu der Heirat gekommen, oder sie war nicht eingetragen worden. Das änderte jedoch nichts an dem Antrag, der vom zumindest vorübergehenden Wunsch Cobbs zeugte, erwachsen zu werden und ein geregeltes Leben zu führen. Gleichzeitig zeigte er aber, dass es nicht so gekommen war. Was war geschehen? Wer war diese Marilyn Duncan, und was hatte sie davon abgehalten, sich ihren Mann zu sichern?
    Vielleicht war die Verlobung die Folge einer ungewollten Schwangerschaft gewesen, einer Schwangerschaft, die entweder von selbst ein Ende gefunden hatte oder in einem Moment von Teenager-Klarsicht oder Liebesrache beendet worden war. Oder vielleicht hatte Cobb auch einfach nur kalte Füße bekommen und seine Zukünftige sitzen lassen.
    Klar war, dass Cobb sechs Wochen nach Beantragen der Heiratslizenz in die Army eingetreten war. Einzelne Teile seiner Militärakte waren unter Verschluss, aber so wie es aussah, hatte er in Fort Hood eine Spezialausbildung durchlaufen. Seinen Unterlagen nach hatte er eine Scharfschützenprüfung abgelegt und bestanden. Anschließend, Anfang 2003, war er nach Afghanistan geschickt worden, wo er acht Jahre als Scharfschütze diente und vom einfachen Gefreiten zum Oberfeldwebel aufstieg.
    Das waren die Fakten, von denen mir drei von Bedeutung zu sein schienen. Erstens, Cobb hatte zu einem Sondereinsatzkommando gehört. Zweitens, er hatte als Scharfschütze gedient. Und drittens, Teile seiner Akte waren unter Verschluss.
    Konnte es wirklich ein Zufall sein, dass dieser Mann im selben Güterzug gefahren war wie mein Sohn?
    2008, während seines dritten Einsatzes, wurde Cobbs Humvee von einer am Straßenrand versteckten Bombe getroffen. Alle im Fahrzeug kamen dabei um, bis auf Cobb, der drei Finger und sein Gehör im linken Ohr verlor. Darüber hinaus erlitt er eine Schädigung seines Gleichgewichtsorgans, was zu wiederkehrenden Schwindelgefühlen führte. Dieser chronische Schwindel war es schließlich, der Cobbs militärische Laufbahn beendete.
    «Was wissen wir also?», sagte Murray, nachdem ich ihn über den Inhalt des Materials informiert hatte. «Wir wissen, dass Danny am 20. Mai dieses Jahres außerhalb von Sacramento festgenommen wurde, nachdem man ihn auf einem Rangierbahnhof im Waggon eines Güterzugs erwischt hatte. Wir wissen, dass noch zwei weitere Männer mit ihm in dem Waggon waren, beides ehemalige Soldaten, Hoopler und Cobb. Cobb hat in einer Spezialeinheit gedient, und Hoopler … nun, die Unterlagen werden gerade besorgt. Ende der Woche sollten wir mehr wissen. Eine Sache sticht jedoch ins Auge, und zwar, dass Marvin Hoopler Verbindungen zu KBR hat, dem Waffenhersteller. Und der Mann besitzt ein Rennboot. Was macht einer wie der zusammen mit einem obdachlosen Exsoldaten und einem Zwanzigjährigen aus Connecticut in einem Güterzug? Wobei zu sagen ist, dass unsere Informationen zu Dannys Aktivitäten in der Woche vor seiner Festnahme noch lückenhaft sind. Wir wissen nur, er war in Sacramento und eine Woche darauf in Los Angeles. Verdächtig ist die Tatsache, dass wir über diese spezielle Woche sonst keine Informationen haben. Hat Danny Cobb und Hoopler im Zug kennengelernt? Oder sind sie schon gemeinsam eingestiegen?»
    «Und», sagte ich, «sind sie nach der Verhaftung in Kontakt geblieben? Lassen sich Hinweise darauf finden, dass Hoopler oder Cobb in der Woche des Attentats in Los Angeles waren?»
    Murray wechselte die Spur, um einen Pick-up zu überholen, der mit einem halben Haus beladen schien.
    «Haben Sie … Wir sollten das alles aufschreiben», sagte er.
    Ich holte einen Stift hervor und machte mir Notizen. Die Unterlagen besagten, dass Cobb 2011 in die Staaten zurückgekehrt und ehrenhaft aus der Armee entlassen worden war. Er verbrachte