Der Venuspakt
anketteten.
Kieran? Sie vergaß alle Vorsicht und wagte einen blitzschnellen Blick in sei-
ne Gedanken. Doch da war nur Nebel und Schmerz. Immerhin – er lebte noch.
Angsterfüllt zog sie sich rasch zurück und bot alle ihr zur Verfügung stehen-
den Kräfte auf, um ihre Stimme so gleichgültig wie nur möglich klingen zu
lassen. «Wie schade! Nun werde ich wohl einen anderen finden müssen.»
Senthil, der lauernd ihre Miene beobachtet hatte, um sich an Nuriyas Leid
zu laben, hätte schreien mögen vor Wut und Enttäuschung. Das Luder hatte
nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Sie musste verdammt dämlich sein,
wenn sie immer noch nicht den Ernst ihrer Lage erkannte. Er hatte es schon
immer gewusst, diese Feen waren allesamt ein eiskaltes Pack!
Mit einem Fingerschnippen weckte er Tesfaya aus ihrer Trance. Die schrie
entsetzt auf, als sie bemerkte, wo sie sich befand. Sie konnte sich jedoch offen-
bar nicht ausreichend bewegen, um einen Fluchtversuch zu wagen, ganz so,
als wären ihre Füße mit dem Boden verschmolzen.
Als Senthil begann, die Gefangenen zu umrunden und dabei Beschwörun-
gen murmelte, glaubte Nuriya ein leises Rascheln hinter sich zu hören. Ich bin es, Erik. Sei ganz still – ich habe deine Fesseln gleich gelöst!
Der Druck des rauen Seils an Nuriyas Handgelenken ließ nach. Vorsichtig
bewegte sie ihre Finger, die schon ganz kalt geworden waren, bis sie zu krib-
beln begannen und das Gefühl darin allmählich zurückkehrte. Die Fesseln
waren nun locker genug, dass sie diese bei einer günstigen Gelegenheit zur
Flucht würde abstreifen können.
Den Göttern sei Dank, Erik! Bist du mit Kieran gekommen? Was haben sie ihm
angetan?
Senthil hat ihn mit irgendeinem Gift betäubt. Offenbar verfügt er über längst ver-
gessen geglaubtes, magisches Wissen. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Aber
still, er schaut zu uns herüber!
Der Vampir warf einen prüfenden Blick in die Dunkelheit hinter Nuriya,
gab Anweisungen in einer unbekannten Sprache, woraufhin dunkel verhüllte
Gestalten aus den Schatten hervortraten. Voller Furcht, Erik könnte entdeckt
werden, gab sie ein leises Stöhnen von sich, das sofort ein Lächeln auf Senthils
Lippen zauberte.
Er wandte sich wieder um. Jemand führte Gefangene herein, die sich wil-
lenlos an den fünf Ecken des Pentagramms platzieren ließen. Ihre Wächter
nahmen hinter ihnen Aufstellung.
Monotone Gesänge erfüllten den Saal und Alida half ihm, ein prächtiges,
purpurfarbiges Gewand anzulegen. Sie selbst hatte ebenfalls ihre schlichte,
schwarze Tracht gegen ein tiefrotes Samtkleid ausgetauscht. Von der hässli-
che Bisswunde an ihrem Hals war kaum noch etwas zu sehen. Geschmeidig
glitt die Vampirin durch den Raum, blieb direkt vor Tesfaya stehen und zückte
einen kleinen Dolch. Ihre ehemalige Gefährtin starrte sie angstvoll an. «Was
habt ihr vor?»
«Nun bekommst du doch noch die Gelegenheit, dem Vengador zu helfen!»
Senthil lachte. «Der Arme kann ein wenig Blut gebrauchen, schätze ich!»
Fast liebevoll griff Alida nach Tesfayas Hand und flüsterte: «Es tut mir Leid!
Warum hast du nur versucht, zu fliehen?»
«Alida ...»
«Pst! Sei ganz ruhig, ich werde dir nicht wehtun!», raunte diese und fuhr
beinahe zärtlich mit der flachen Klinge über den entblößten Arm der Gefan-
genen. «Weißt du noch, wie sehr wir dieses Spiel immer genossen haben? Ein
kleiner Schnitt, etwas Blut und kühler Stahl auf deiner samtigen Haut.»
Tesfaya schienen ihre Worte zu beruhigen. Ihre Brust hob und senkte sich
gleichmäßig und entspannt schloss sie die Augen. Als sie schließlich sogar ih-
ren Kopf in den Nacken legte und kleine, wohlige Laute von sich gab, warf Ali-
da einen triumphierenden Blick in Senthils Richtung und stach zu. Mit einem
raschen Schnitt öffnete sie die Arterie am Unterarm ihrer Gefährtin und fing
in einem Krug das sprudelnde Blut auf.
Fassungslos starrte Tesfaya auf die lange Wunde. Wie in Zeitlupe öffnete sich
ihr Mund zu einem gellenden Schrei. Alida sprang, das gefüllte Gefäß fest um-
klammert, aus dem magischen Zirkel; gleichzeitig sanken die fünf Gefangenen
mit durchschnittener Kehle zu Boden. Senthil hob im selben Moment blitz-
schnell sein Schwert und schlug mit einer einzigen Drehung Tesfayas Kopf ab.
Der enthauptete Körper sackte in sich zusammen und das Blut der Vampi-
rin strömte in das Pentagramm, dessen Konturen, wie Nuriya erst jetzt sah, in
den steinernen Boden eingelassen
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