Der Venuspakt
waren. Dort vereinte es sich mit der Lebens-
energie der anderen Opfer.
Kaum war die Form des magischen Symbols komplett gefüllt, glühte das
eiserne Kreuz auf. Funken sprühten, als würde jemand ein Feuerwerk abbren-
nen – doch innerhalb von Sekunden war der Spuk vorüber.
Ein undurchdringlicher Schatten blieb zurück und waberte scheinbar un-
entschlossen über dem Boden, wand sich mal hierhin, mal dorthin, konnte
aber die Grenzen des Pentagramms nicht überwinden. Schließlich versank,
was auch immer dort in der Mitte des Raumes gelauert hatte, mit einem laut-
losen Seufzer im Boden. Das Opferblut hatte es auf seinem Rückzug mit sich
genommen und von Tesfaya blieb nichts als ein Häufchen Asche zurück. Mit-
tendrin lag eine kleine Phiole.
Nuriya, die ahnte, dass sie Zeugin eines dämonischen Rituals geworden war,
und vor Furcht zitterte, spürte Senthils heißen Atem an ihrem Ohr. Er hielt
das gläserne Gefäß in seiner Hand.
«Bring den Kelch!»
Alida eilte zum Altar, um ein goldenes Gefäß zu holen, das mit zahlrei-
chen Edelsteinen besetzt war und sehr alt wirkte. Behutsam füllte sie ihn mit
Tesfayas Blut und winkte anschließend mit einer hoheitsvollen Geste einen
Wächter herbei, der den Kelch, mit beiden Händen umschlossen, hinter ihr
hertrug. Senthil verzog missbilligend seinen Mund, als ärgerte er sich über
ihr Verhalten.
Doch Nuriyas nun unverhohlenes Entsetzen heiterte ihn offenbar auf, denn
er lachte: «Dieser magische Trank wird Kierans Energien binden und wenige
Schlucke seines Blutes reichen aus, um mich zum Herrn über Feen und Vam-
pire zu machen. Denn in meinen Adern wird das Blut eines Halbgottes strö-
men und der Vengador Geschichte sein. – Sieh genau hin!»
Der Vampir machte eine Handbewegung und die riesigen Kerzen, die auf
den Leuchtern rechts und links von Kieran steckten, begannen zu brennen.
Vorsichtig ließ er eine grünliche Flüssigkeit aus der Phiole in den Kelch trop-
fen und mischte sie mit dem darin befindlichen Blut der ermordeten Tesfaya.
Mit einem Ruck zog Alida den Umhang von Kierans Schultern und entsetzt
erkannte Nuriya, dass man ihn gefoltert hatte. Sein Gesicht war von unzäh-
ligen Verletzungen entstellt, das rechte Auge unter einer starken Schwellung
kaum noch zu sehen und Blut sickerte unaufhörlich aus tiefen Wunden, die
seinen gesamten Körper bedeckten.
Er heilt nicht!
Kieran war nach seiner Gefangennahme nur kurz betäubt gewesen. Doch
bevor es ihm gelungen war, die magischen Siegel auf seinen Fesseln zu öffnen,
waren Senthils Wächter zurückgekehrt und hatten die Gelegenheit genutzt,
sich für den Tod ihrer Kameraden brutal an ihm zu rächen.
Senthil war furchtbar wütend geworden, als er entdeckte, dass Kieran noch
mehr Blut verloren hatte. Er durfte auf keinen Fall zu früh sterben!
Zähneknirschend befahl er deshalb, den Vengador mit Blut zu versorgen
und gab ihm anschließend vorsichtshalber noch eine weitere Injektion des
Betäubungsmittels. Aber er bemerkte nicht, dass es diesmal wirkungslos
blieb. Kierans Körper hatte bereits mit der Selbstheilung begonnen, aber der
Vengador beschloss, die oberflächlichen Wunden weiter bluten zu lassen und
eine tiefe Ohnmacht vorzutäuschen.
Er hoffte, so eher in Nuriyas Nähe zu gelangen. Senthil würde sich niemals
die Gelegenheit entgehen lassen, sich an ihrer Verzweiflung zu weiden, wenn
sie erkannte, dass er ihre einzige Hoffnung auf Rettung in seiner Gewalt hat-
te.
Wenig später schleppten die Sicarier ihn tatsächlich in den Tempelraum,
um ihn dort anzuketten. Ihr Schmerz, als sie sein zerschundenes Gesicht er-
blickte, traf Kieran wie ein Dolchstoß. Wie gerne hätte er der Geliebten be-
ruhigende Gedanken geschickt, stattdessen starrte er nur blicklos durch sie
hindurch.
«Da hast du deinen Vengador. Er erkennt dich nicht einmal!»
Bisher war Nuriya noch keinem Vampir begegnet, der so offen seine Lau-
nen und Gefühle zeigte, wie Senthil. Vielleicht war dies die Chance, auf die sie
gewartet hatte. Wenn es ihr gelang, ihn abzulenken, würde es Erik möglicher-
weise schaffen, Kieran zu retten.
«Bisher dachte ich immer, Männer bevorzugten den offenen Kampf und nur
Frauen hätten einen Hang zur Giftmischerei.» Nuriyas Stimme drang bis in
den letzen Winkel des Tempels und die Vampire starrten ihren Anführer neu-
gierig an. Wie würde er auf diese unerhörte Beleidigung reagieren?
Senthil stand plötzlich ganz nahe vor ihr. «Was sagst du da?»
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