Der Venuspakt
Gedanken nicht erriet.
Dann war Kierans Bruder fort und Angelina sagte laut: «Er hat keine Ah-
nung, wer wir sind, nicht wahr? Warum sonst hätte er uns die lichtsicheren
Räume anbieten sollen?»
«Ich habe schon gehört, dass Asher normalerweise sehr zurückgezogen
lebt. Vermutlich hat er in den vergangenen Jahrzehnten wenig Vampirgerüch-
te gehört und deshalb keine Ahnung, dass Sylvain inzwischen eine Familie
gegründet hat.»
«Es ist irgendwie typisch für Kieran, dass er selbst seinem Bruder nicht alles
erzählt.»
«Auch er weiß nicht sicher, wie weit unsere Lichttoleranz geht.» Donates
klang zufrieden. «Ich habe mir die Fenster hier oben einmal angesehen, sie sind
mit Jalousien ausgestattet und lassen sich recht zuverlässig verdunkeln. Wahr-
scheinlich denkt er, wir fühlen uns tagsüber unter der Erde einfach wohler.»
Angelina lachte: «Im Gegenteil! Das braucht er aber nicht unbedingt zu wis-
sen. Mir wäre es dennoch lieber, in der oberen Etage zu bleiben. So sind wir in
der Nähe, wenn unser romantisches Liebespaar wider Erwarten frühzeitig zu
sich kommen sollte oder Komplikationen eintreten.»
Donates war einverstanden und verschwand, um daheim nach dem Rech-
ten zu sehen und Nik über die neuesten Ereignisse zu informieren. Auch er
sollte gewarnt sein, dass einige sehr merkwürdige Dinge vor sich gingen.
Wenig später kehrte er mit zwei Taschen zurück. Die enthielten neben fri-
scher Kleidung für Erik auch ein paar Blutkonserven für sie selbst, obwohl
er von der Haushälterin wusste, dass Kieran ihnen großzügig seine Vorräte
angeboten hatte. Im Gäste-Appartement hatte Angelina einen kleinen Kühl-
schrank entdeckt und Donates war gerne autark.
Sie verschlossen sorgfältig die Fenster und machten es sich anschließend in
ihrem komfortablen Bett bequem.
Angelina kuschelte sich an ihren Geliebten, bis sie einen perfekten Platz
an seiner Schulter gefunden hatte, und gurrte: «Weißt du eigentlich, was pas-
siert, wenn du französisch mit mir sprichst?»
Der Hauch ihrer Stimme auf Donates’ Hals sorgte dafür, dass seine Haut zu
kribbeln und ganz tief in seinem Körper eine heiße Flamme zu lodern begann. Mais oui, mon ange! «Aber ja, mein Engel! Komm!», lachte er heiser und beugte
sich über sie, um mehr als nur ihre verführerischen Lippen zu kosten. Viens! Baise-moi!
Was kaum jemand wusste, war, dass Sylvain und seine Geschöpfe selten
tagsüber schliefen. Gewöhnliche Vampire waren dagegen gezwungen, zum
Ende einer jeden Nacht ein sicheres Versteck aufzusuchen, da sie bei Son-
nenaufgang in einen tiefen Schlaf fielen, aus dem sie höchstens bei Gefahr
erwachen konnten. Was den meisten in dieser Situation wenig nutzen moch-
te, denn dann waren sie schwach und konnten sich gegen einen überlegenen
Gegner nicht schützen.
Angel und Donates aber konnten sich sogar für eine gewisse Zeit im Ta-
geslicht aufhalten, wenn sie direktes Sonnenlicht mieden. Dies vermochten
selbst geborene Vampire nicht und Sylvains Winterfeld-Familie hatte be-
schlossen, ihr kleines Geheimnis so lange wie möglich für sich zu behalten.
Diese Vorsichtsmaßnahme könnte einem von ihnen irgendwann einmal das
Leben retten.
Kieran zog seinen Sessel dicht neben Nuriyas Bett und ließ sich hineinsin-
ken. Kerzen flammten in einem mächtigen Leuchter auf und ihre tanzenden
Schatten betonten die von seiner Erschöpfung gezeichneten Linien in seinem
Gesicht. Deutlich war die steile Falte zwischen seine Augenbrauen zu sehen.
Nuriya, kannst du mich hören?
Keine Antwort. Kieran tastete sich in Gedanken behutsam an sie heran.
Von der Schutzmauer in ihrem Kopf waren nur noch Ruinen übrig, dahinter
herrschte Chaos. Allmählich erkannte er jedoch das Muster, dem all ihre Ge-
fühle folgten, und entdeckte darunter sogar ein ziemlich gutes Bild des At-
tentäters. Immerhin, dieses Problem hatte sich dank Angels pyromanischer
Neigung gewissermaßen in Luft aufgelöst.
Auf eine seltsame Art fühlte er sich in Nuriyas Erinnerungen geborgen und
viele Wege und Biegungen in der Landschaft ihrer Gedanken und Gefühle ka-
men ihm so bekannt vor, als wäre er schon einmal hier gewesen.
Asher hatte Recht mit seiner Vermutung, sie verleugne ihre Magie und ihre
Herkunft. Kieran konnte nahezu keine Spur von beidem entdecken und ver-
mutete sie tief vergraben in ihrer Seele.
Als er weiter vordringen wollte, merkte er plötzlich, wie sie versuchte, sei-
nen Weg zu blockieren. Was war es,
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