Der Venuspakt
zweiten, weitaus unangenehmeren – und sehr end-
gültigen – Tod interessiert.
Das war er nicht und so fügte er sich in sein Schicksal. Viel musste er nicht
tun, nur ab und zu Leute bespitzeln oder die Kumpels überreden, jemanden
zusammenzuschlagen. Diese Aufgabe fiel ihm nicht schwer und er genoss die
Macht, die damit verbunden war. Die Gang-Mitglieder suchten sowieso im-
mer nach einem Grund sich zu prügeln und mit seinen neuen Kräften hatte er
sie schnell dazu gebracht, seine Anregungen für ihre eigene Idee zu halten. Er
selbst hielt sich, wie sein Auftraggeber es forderte, eher zurück und beobach-
tete die Aktionen aus sicherer Entfernung.
Für diese Dienste bekam er gutes Geld. Damit konnte er sich endlich eine
eigene Wohnung leisten und von zu Hause ausziehen. Das war natürlich auch
notwendig, denn selbst seinen Eltern wäre der todesähnliche Schlaf, in den er
neuerdings allmorgendlich fiel, sicher irgendwann aufgefallen oder eines der
Geschwister hätte die Gardinen aus Spaß aufgezogen. Der Gedanke an ihre
Überraschung, wenn er dann zu einem Häufchen Asche verbrannt wäre, ent-
lockte Paul ein schiefes Grinsen.
Doch jetzt knurrte sein Magen und er beschloss, erst einmal nach einem
kleinen Imbiss Ausschau zu halten. Es war ein Tabu in der Nähe des Hellfire-
Clubs zu jagen und nach dem Überfall erschien es ihm angemessen, so wenig
Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu lenken. Die Retter der Mädchen und
des durchgeknallten Werwolfs, dachte er abfällig, waren mächtige Vampire
gewesen – so viel stand fest! Paul hatte keine Lust, ihnen jemals wieder über
den Weg zu laufen. Er wunderte sich allerdings, dass er sich kaum noch an die
drei erinnern konnte. Oder waren es zwei gewesen?
Verwirrt schüttelte er den Kopf. Genau genommen konnte er sich nur an
einen riesigen Polarwolf erinnern. Oder war es ein Hund gewesen?
Das Denken fiel ihm sowieso nie leicht und so gab er es schließlich auf, sich
erinnern zu wollen. Hungrig eilte der Vampir in einen benachbarten Stadtteil,
wo sich auch bald ein geeignetes Opfer fand – ein Hundebesitzer, der mit sei-
nem stattlichen Pudel zu später Stunde Gassi ging. Er lockte den Mann tiefer
ins Unterholz und während das Tier ängstlich winselte und an der Leine zerr-
te, trank Paul von dem köstlichen Blut.
Er spürte, wie die Spannung allmählich von ihm abfiel, und mit einem Seuf-
zer ließ er den verwirrten Mann schließlich frei. Der würde sich ein paar Tage
schwach fühlen und in Zukunft vermutlich nächtliche Spaziergänge meiden,
aber sonst war ihm nichts geschehen. Paul war kein Mörder und hielt sich an
die Regeln in dieser Stadt.
Es war noch früh, erst kurz nach Mitternacht, und er beschloss, ins Hellfire
zu gehen. Er wollte sich ein wenig umhören, ob der Entführungsversuch der
Mädchen von irgendjemandem bemerkt worden war.
Plötzlich spürte Paul einen eisigen Hauch in seinem Kopf und stöhnte vor
Schmerzen laut auf. Ohne die geringste Chance zur Verteidigung musste er
hilflos miterleben, wie seine Erinnerung an die Ereignisse des Abends brutal
geplündert wurden!
Dann war der Angriff so abrupt vorüber, wie er begonnen hatte, und Paul
fand sich auf allen vieren, zitternd am Boden wieder.
Die Nachricht des Eindringlings war deutlich: «Du gehörst mir und du wirst
dich zu meiner Verfügung halten!»
Er fühlte sich missbraucht und geschändet und begann sich zu fragen, wo-
hinein er da geraten war. Ernsthafte Zweifel waren ihm schon vorher gekom-
men, als er den überstürzten Auftrag erhielt, diese Mädchen zu entführen. Nur
durch Zufall war er mit der Clique in der Nähe gewesen. Im Club hatten die
anderen nämlich alle Hausverbot.
Die Mädchen waren etwas Besonderes, das merkte er bald, und ihm wurde
klar, dass er gut daran tat, schleunigst zu verschwinden. Paul schüttelte den
Kopf, um das Summen darin loszuwerden. Er wusste nicht, wer hinter all dem
stand. Aber das erste Mal, seit er zum Vampir geworden war, hatte er Angst.
Todesangst.
Sein Peiniger war wütend. Die Mädchen waren also von einem Werwolf be-
schützt worden und gemeinsam mit ihm entkommen. Kein Wunder, dass die-
se nutzlosen Sterblichen verschwunden waren, die er gelegentlich mit klei-
neren Überfällen oder Räubereien beauftragte. Um sie würde er sich später
kümmern. Wieso der Werwolf ausgerechnet in Gestalt eines Pudels erschie-
nen war, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Doch das Bild, das
er
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