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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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ganze Stolz des Swansea Museums war und schlicht das Schildchen ›Evans’ Stiefel‹ trug.
    Valerie Jennings lief an den Regalen entlang und fand das Gesuchte neben den beiden Anglerstiefeln in der Abteilung Fußbekleidung. Als sie zur Theke zurückkehrte, schon deutlich erhitzt und verärgert, brach die Frau prompt wieder in Tränen aus, erzählte ihr die gesamte Lebensgeschichte von Edgar Evans und verkniff sich nicht einmal den Hinweis, dass sie ihn auf gar keinen Fall mit Teddy Evans verwechseln dürfe, Scotts Stellvertreter bei der Expedition.
    »Um Gottes willen, es würde mir nicht im Traum einfallen, ihn mit Teddy Evans zu verwechseln«, versicherte Valerie Jennings und knallte das Register zu, um den antarktischen Exkursen ein Ende zu bereiten. Als sie das Buch ins Fach unter dem Tresen legte, kam Arthur Catnip. Seine Frisur glich immer noch einem Schlachtfeld, nur hatte er sie nun mit Hilfe einer Pomade, die ihm der Friseur als Entschädigung überlassen hatte, dem Erdboden gleichgemacht. Sein Kopf glänzte damit wie eine Schlittschuhbahn.
    Valerie Jennings bedauerte, dass sie nicht im selben Moment, da ihr warm geworden war, ihren Mantel ausgezogen hatte. Sie schritt neben Arthur Catnip die Straße entlang und fragte sich, wo sie wohl hingingen. Irgendwann waren sie wieder im Regent’s Park, wo der Fahrkartenkontrolleur auf eine Bank am Springbrunnen zeigte und vorschlug, sich zu setzen.
    »Ich habe alles für ein Picknick mitgebracht«, verkündete er, öffnete den Rucksack und breitete eine Decke auf ihren Knien aus. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Ihnen zu kalt wird.«
    Als Valerie Jennings zu einem Spanferkel-Sandwich griff, erzählte sie ihm, dass das Bartschwein laut Zeitungsberichten noch zweimal gesehen worden sei, in Essex und in East Anglia. Arthur Catnip erklärte, dass er, wenn er es in seinem Garten entdecken würde, niemals der Presse davon erzählen würde. Das Letzte, was er sich wünsche, sei eine Horde von Journalisten, die durch sein Gemüsebeet trampelte.
    Er bot ihr eine Teigtasche an, die Valerie Jennings misstrauisch beäugte. Nach dem ersten Bissen lobte sie seinen Lachs en croute und erzählte, dass sie einst mit ihrem Exmann Lachse angeln gewesen sei und sich so gelangweilt habe, dass sie absichtlich in den Bach gestürzt sei, um den Ausflug zu beenden. Arthur Catnip nahm eine Tomate und erwiderte, dass er mal einen Matrosen über Bord geworfen habe, weil der schlecht über seine damalige Frau gesprochen hatte. Dann sei er allerdings sofort hinterhergesprungen, um ihn zu retten, weil ihm klar geworden sei, dass der Mann recht gehabt hatte.
    Als der Fahrkartenkontrolleur den Springbrunnen betrachtete, erzählte er von den Zeiten, als er Frostschutzmittel in den Gartenteich geschüttet hatte. Die Biologielehrerin hatte ihnen nämlich beigebracht, dass die Fische am Südpol dergleichen im Blut hatten, damit sie nicht einfroren. Als er dann allerdings nach den Koi-Karpfen seines Vaters geschaut hatte, waren sie alle eingegangen. Valerie Jennings wischte sich mit der Serviette über den Mundwinkel und erzählte, dass sie es soeben mit dem Stiefel von Teddy Evans zu tun gehabt habe, dem Unteroffizier, der auf dem Rückweg von Scotts misslungener Südpolexpedition gestorben war. Man dürfe ihn, erklärte sie, auf gar keinen Fall mit Edgar Evans verwechseln, Scotts Stellvertreter bei dieser Expedition.
    Sobald der Tower geschlossen war, begab sich Balthazar Jones zur Vogelvoliere. Seine Nase war gefühllos vor Kälte, da er die letzte Tour des Tages übernommen hatte. Es war ein ziemlich anstrengender Nachmittag gewesen, und er hatte sich sogar noch die Zeit genommen, ein paar Touristen zu den Gehegen zu begleiten. Sein Anliegen war weniger, ihnen als Führer zu dienen – man hatte mittlerweile Karten hergestellt, aus denen hervorging, wo sich die einzelnen Tiere befanden –, als ein Auge auf seine Schützlinge zu haben. Ihm war nämlich aufgefallen, dass etliche Besucher die Sandwiches und Kuchen, die sie zu ihrem eigenen Bedauern im Tower-Café gekauft hatten, beim Vielfraß entsorgten. Aber selbst das Wesen mit dem gigantischen Appetit verschmähte sie, und so war sein Käfig bereits die reinste Müllhalde.
    Als er, eine Einkaufstasche von Hamleys in der Hand, die Stufen des Brick Towers hochstieg, dachte er wieder an das Herrenwams, das er gefunden hatte, und fragte sich, warum niemand gekommen war, um es abzuholen. Sobald er die Tür öffnete, sprang der Albert-Paradiesvogel

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