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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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sie sich zurück und schlug das erste Tagebuch auf in der Hoffnung, einen Hinweis zu entdecken, der ihr Aufschluss über Roses geheimnisvolle Male geben konnte.
    Selbst als das Wasser sich nur noch lauwarm anfühlte und ihre
Füße schon halb aufgeweicht waren, hatte Cassandra noch nichts Brauchbares gefunden. Immer nur Roses verschleierte Hinweise auf Male, für die sie sich schämte.
    Aber etwas anderes Interessantes war Cassandra aufgefallen. Es hatte zwar nichts mit den Malen zu tun, war aber dennoch sonderbar. Es waren nicht nur die Worte, sondern die Ausdrucksweise, die Cassandras Aufmerksamkeit geweckt hatte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas Bedeutsames zwischen den Zeilen stand.
     
     
     
    März 1909. Die Arbeiten an der Gartenmauer haben begonnen. Zu Recht meinte Mama, dass man es am besten machen lässt, solange Eliza fort ist. Das Cottage ist zu ungeschützt. Früher, als es schändlichen Zwecken diente, machte das nichts, aber heute muss man es nicht mehr vom Meer aus sehen können. Im Gegenteil: Niemand hier möchte, dass etwas bemerkt wird. Und man kann gar nicht vorsichtig genug sein: Wo viel zu gewinnen ist, da ist auch viel zu verlieren.

39 Blackhurst Manor Cornwall, 1909
    Rose weinte. Ihre Wangen glühten, und ihr Kopfkissen war nass, doch sie konnte einfach nicht aufhören. Sie schloss die Augen gegen das fahle Winterlicht und weinte, wie sie es nicht mehr getan hatte, seit sie ein Kind gewesen war. Warum musste es Morgen werden? Wie konnte die Sonne es wagen, einfach so schadenfroh aufzugehen, wo sie sich doch so elend fühlte? Wie konnten andere Leute ganz normal ihren Alltagsgeschäften nachgehen, wenn Rose aufwachen musste, nur um das Ende ihrer
Hoffnungen in Blut geschrieben zu sehen? Wie lange noch, fragte sie sich, wie oft noch würde sie diese monatliche Verzweiflung durchleben müssen?
    Natürlich war es besser, Gewissheit zu haben, mochte diese noch so grausam sein, denn das Schlimmste waren die langen Tage dazwischen. Die langen Tage, an denen Rose sich ihren Träumen und Hoffnungen hingab. Hoffnung, wie sehr sie allein das Wort inzwischen verabscheute. Es war ein heimtückisches Samenkorn, das, einmal in die Seele eines Menschen gepflanzt, mit wenig Pflege gedieh und dann so herrlich blühte, dass man nicht anders konnte, als es zu lieben. Die Hoffnung hinderte einen auch daran, aus Erfahrung klug zu werden. Denn jeden Monat nach ihrer Blutung spürte Rose, wie das gemeine Geschöpf erneut auftauchte und all ihre Erfahrung vom Tisch fegte. Egal, wie oft sie sich schwor, diesmal nicht darauf hereinzufallen, diesmal den grausamen, schmeichlerischen Einflüsterungen nicht zu erliegen, sie wurde immer wieder schwach. Weil Verzweifelte sich an die Hoffnung klammern wie Matrosen an ihr Wrack.
    Im Lauf des Jahres war ihr eine kleine Atempause von dem fürchterlichen Kreislauf vergönnt gewesen. Einen Monat lang, als die Blutung ausgeblieben war. Dr. Matthews war sofort gerufen worden, er hatte eine Untersuchung durchgeführt und die ersehnten Worte ausgesprochen: Sie war schwanger. Was für ein Segen, die Erfüllung des sehnlichsten Wunschs so ruhig ausgesprochen zu hören, ohne einen Gedanken an die Monate der Enttäuschung, die diesem Augenblick vorangegangen waren, mit fester Stimme und voller Überzeugung, dass alles gut werden würde. Ihr Bauch würde anschwellen, und ein Kind würde geboren werden. Acht Tage lang hatte sie die wunderbare Gewissheit genossen, hatte ihren flachen Bauch gestreichelt und Liebkosungen geflüstert, war anders gegangen, hatte anders gesprochen und anders geträumt. Und dann, am neunten Tag …

    Es klopfte an der Tür, doch Rose rührte sich nicht. Geh weg, dachte sie. Geh weg und lass mich in Ruhe.
    Die Tür quietschte, und jemand trat ein, auf nervtötende Weise darum bemüht, möglichst kein Geräusch zu machen. Etwas wurde auf dem Nachttisch abgestellt - dann eine sanfte Stimme ganz dich an ihrem Ohr. »Ich habe Ihnen Ihr Frühstück gebracht …«
    Mary schon wieder. Als würde es nicht reichen, dass Mary die mit dem blutigen Beweis befleckten Laken gesehen hatte.
    »Sie dürfen nicht den Mut verlieren, Mrs Walker.«
    Mrs Walker. Bei diesen Worten zog sich Rose der Magen zusammen. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, Mrs Walker zu sein. Nachdem sie Nathaniel in New York kennengelernt hatte, nachdem sie mit klopfendem Herzen von einem Ball zum anderen gegangen war, den Saal nach ihm abgesucht, den Atem angehalten hatte, bis ihre

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