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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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wurde Eliza an die Küste von Cornwall zur Familie ihrer Mutter gebracht. Es ist nicht bekannt, wie diese Familienzusammenführung zustande kam, man kann jedoch mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass trotz der unglücklichen Umstände, die dieser vorausgegangen waren, der Ortswechsel für die junge Eliza ein Glücksfall war. Die Umsiedlung nach Blackhurst Manor mit seinen ausgedehnten Ländereien und Gartenanlagen bot ihr nach den Gefahren, denen sie auf den Londoner Straßen ausgesetzt war, Freiheit und Sicherheit. In ihren Märchen wurde das Meer zum Motiv der Erneuerung und Erlösung.
    Eliza hat erwiesenermaßen bis zu ihrem vierundzwanzigsten Lebensjahr bei der Familie ihres Onkels mütterlicherseits gelebt. Wo sie sich danach aufgehalten hat, bleibt jedoch nach wie vor weitgehend ein Rätsel. Es existieren mehrere Theorien über ihr Leben nach 1913, von denen allerdings noch keine bewiesen werden konnte. Einige Historiker vermuten, dass sie dem Scharlachfieber zum Opfer fiel, das 1913 in Cornwall wütete. Andere, verblüfft über die rätselhafte Veröffentlichung ihres letzten Märchens, Der Flug des Kuckucks in der Zeitschrift Literary Lives im Jahr 1936, spekulieren, dass sie ihr Leben mit Reisen verbrachte, stets auf der Suche nach Abenteuern, die sie in ihren Märchen verarbeitete. Diese verlockende Theorie bedarf noch ernsthafter wissenschaftlicher Untersuchung. Solange nichts bewiesen ist, bleibt das Schicksal von Eliza Makepeace bis hin zu ihrem unbekannten Todesdatum eines der Rätsel in der Literaturwelt.
    Es existiert eine Kohlezeichnung von Eliza Makepeace von der Hand des bekannten edwardianischen Porträtkünstlers Nathaniel
Walker. Die Zeichnung wurde nach seinem Tod zwischen seinen unvollendeten Arbeiten entdeckt und hängt heute unter dem Titel Die Autorin in der Walker Collection der Tate Gallery in London. Auch wenn Eliza Makepeace nur eine einzige Märchensammlung veröffentlicht hat, sind ihre Arbeiten reich an metaphorischem und soziologischem Gehalt und würden sich sehr gut für literaturwissenschaftliche Studien eignen. Während frühere Geschichten wie Der goldene Käfig stark von der europäischen Märchentradition beeinflusst sind, tragen spätere Geschichten wie Die Augen des alten Weibleins eher individuelle, man könnte sogar sagen autobiografische Züge. Wie viele andere Schriftstellerinnen der ersten Dekade des zwanzigsten Jahrhunderts fiel Eliza Makepeace jedoch den kulturellen Umbrüchen zum Opfer, die die gewaltigen Weltereignisse Anfang des Jahrhunderts nach sich zogen (der Erste Weltkrieg und die Suffragettenbewegung, um nur zwei zu nennen), und die Leserschaft verlor das Interesse an ihr. Viele ihrer Geschichten sind während des Zweiten Weltkriegs für die Wissenschaft verloren gegangen, als die British Library kompletter Sammlungen eher unbedeutender Zeitschriften beraubt wurde. Aus diesem Grund sind Eliza und ihre Märchen heutzutage relativ unbekannt. Ihre Arbeiten - ebenso wie die Schriftstellerin selbst - sind dem Lauf der Zeit zum Opfer gefallen und für uns, wie so viele andere Geister des letzten Jahrhunderts, für immer verloren.

14 London England, 1900
    Hoch oben über Mr und Mrs Swindells Pfandleihe in dem schmalen Haus an der Themse lag ein winziges Zimmer. Kaum mehr als ein Wandschrank. Es war dunkel und feucht und roch modrig (kein Wunder bei dem maroden Abwasserrohr und
der mangelnden Lüftung), hatte fleckige Außenwände, die im Sommer aufplatzten und im Winter die Feuchtigkeit hereinließen, und einen Kamin, dessen Schornstein schon so lange verstopft war, dass es beinahe eine Unverschämtheit schien anzunehmen, es müsste anders sein. Doch trotz der Armseligkeit war der Raum oben im Haus der Swindells das einzige Zuhause, das Eliza Makepeace und ihr Zwillingsbruder Sammy je kennengelernt hatten, und es bot ihnen wenigstens ein bisschen Sicherheit und Geborgenheit, die sie in ihrem Leben ansonsten hatten entbehren müssen. Sie waren in dem Herbst auf die Welt gekommen, als in London die Angst umging, und je älter Eliza wurde, desto überzeugter war sie davon, dass diese Erfahrung mehr als jede andere sie zu dem machte, was sie war. Der Ripper war der erste Feind in einem Leben, in dem es von Widersachern nur so wimmeln sollte.
     
     
     
    Was Eliza an ihrem Dachzimmer am besten gefiel - eigentlich das Einzige, abgesehen von der Tatsache, dass es ihr Unterschlupf bot -, war der Spalt zwischen zwei Mauersteinen über dem alten Holzregal. Sie war

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