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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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die sie schon während ihrer Jugend ausreichend hatte zum Ausdruck bringen können. Die Familienbücher der Mountrachet, im Jahr 1950 der British Library vermacht, enthalten eine Anzahl von Theater-Programmheften, die in sorgsam ausgeführter Handschrift geschrieben und dazu mit hervorragenden Illustrationen versehen sind. In jedem Heft hat die »Künstlerin« in einer Ecke mit winzigen Buchstaben ihren Namen hinterlassen. Laientheater waren natürlich zu jener Zeit in vielen Adelshäusern gang und gäbe, die Programmhefte für jene in Blackhurst in den 1880er-Jahren jedoch zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit größerer Regelmäßigkeit erschienen und mit mehr Ernsthaftigkeit gestaltet waren als sonst vielleicht üblich.
    Wenig ist bekannt über Elizas Kindheit in London, abgesehen von dem Haus, in dem sie geboren wurde und in dem sie ihre frühe Kindheit verbracht hat. Man kann allerdings davon ausgehen, dass ihr Leben vom Diktat der Armut und von den Schwierigkeiten zu überleben bestimmt wurde. Höchstwahrscheinlich litt Georgiana schon seit Mitte der 1890er-Jahre an Tuberkulose, an der sie schließlich sterben sollte. Falls ihr Krankheitszustand den in den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts üblichen Verlauf genommen hatte, werden Kurzatmigkeit und allgemeine Schwäche die Ausübung einer regelmäßigen Arbeit verhindert haben. Die Lohnabrechnungen von HJ Blackwater jedenfalls bestätigen diese Annahme.
    Es existieren keine offiziellen Belege dafür, dass Georgiana wegen ihrer Krankheit einen Arzt aufgesucht hat, allerdings war zur damaligen Zeit die Angst vor ärztlicher Behandlung weit verbreitet. Um 1880 wurde Tuberkulose zu einer meldepflichtigen Krankheit erklärt, und Ärzte wurden gesetzlich dazu verpflichtet, Krankheitsfälle den staatlichen Behörden mitzuteilen. Aus Furcht jedoch, in ein Sanatorium geschickt zu werden (das meist einem Gefängnis gleichkam),
schreckten die Armen davor zurück, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Krankheit ihrer Mutter muss erhebliche Auswirkungen auf Eliza gehabt haben, sowohl in praktischer als auch in kreativer Hinsicht. Mit ziemlicher Sicherheit wurde von der Tochter verlangt, dass sie ihren Beitrag zu den Haushaltskosten leistete. Im viktorianischen London waren Mädchen nahezu in allen untergeordneten Stellungen beschäftigt - als Hausmädchen, Straßenhändlerinnen oder Apfelsinenverkäuferinnen, die ihre Waren in Theatern feilboten -, und Elizas Darstellung von Mangeln und Waschbottichen in einigen ihrer Märchen legt die Vermutung nahe, dass sie sehr vertraut war mit der Arbeit als Wäscherin. Die vampirähnlichen Wesen in Die Feenjagd könnten ebenfalls die Vorstellung aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert widerspiegeln, nach der Tuberkulosekranke Vampire waren: Lichtempfindlichkeit, geschwollene gerötete Augen, sehr bleiche Haut und der typische blutige Husten waren Symptome, die diesen Glauben nährten.
    Ob Georgiana, als sich ihr Gesundheitszustand nach Jonathans Tod verschlechterte, je einen Versuch unternommen hat, wieder Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen, ist nicht bekannt. Dem Verfasser dieser Zeilen erscheint dies jedoch unwahrscheinlich. Ein Brief von Linus Mountrachet an einen Geschäftspartner vom Dezember 1900 lässt darauf schließen, dass er erst kurz zuvor von seiner kleinen Londoner Nichte Eliza erfahren hatte und von dem Gedanken schockiert war, dass sie mehr als ein Jahrzehnt lang unter solch erbärmlichen Umständen hatte leben müssen. Womöglich hatte Georgiana befürchtet, die Familie Mountrachet würde ihr niemals verzeihen, dass sie seinerzeit mit ihrem Geliebten durchgebrannt war. Der Brief ihres Bruders jedoch lässt eine solche Befürchtung als völlig unbegründet erscheinen:
    Mir vorzustellen, dass meine geliebte Schwester in all den Jahren, in denen ich den halben Erdball nach ihr abgesucht habe, ganz in meiner Nähe gewesen ist! Und dass sie unter solchen Entbehrungen gelebt hat! Sie sehen, dass ich Ihnen die Wahrheit
über ihr Naturell gesagt habe. Wie wenig es ihr offenbar bedeutet hat, dass wir sie von Herzen liebten und uns nur danach sehnten, dass sie sicher wieder nach Hause zurückkehrte …
    Auch wenn Georgiana nie zurückkehrte, war es Eliza bestimmt, in den Schoß der Familie ihrer Mutter aufgenommen zu werden. Georgiana Mountrachet starb Ende 1900, als Eliza zwölf Jahre alt war. Der Totenschein gibt als Todesursache Tuberkulose und ihr Alter mit dreißig Jahren an. Nach dem Tod ihrer Mutter

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