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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Ganzen.
    Deshalb wusste sie auch, dass er sich vor dem Flussschlamm fürchtete, und auch wenn sie seine Angst nicht teilte, konnte Eliza ihn verstehen. Die Luft war anders, wenn man näher ans Wasser ging. Irgendetwas in den Dämpfen, die aus dem Schlamm aufstiegen,
die Sturzflüge der Vögel, die merkwürdigen Geräusche, die von den Befestigungsmauern widerhallten, mit denen die früheren Flussufer begradigt worden waren …
    Eliza wusste auch, dass sie für Sammy verantwortlich war, und das nicht nur, weil ihre Mutter ihr das eingeschärft hatte. (Ihre Mutter war seltsamerweise davon überzeugt gewesen, dass ein böser Mann - wer das war, hatte sie nicht gesagt - ihnen auf den Fersen war.) Schon als sie noch ganz klein gewesen waren, hatte Eliza begriffen, dass Sammy sie mehr brauchte als sie ihn, noch bevor er das Fieber bekommen hatte und beinahe gestorben wäre. Irgendetwas an seiner Art machte ihn verletzlich. Die anderen Kinder hatten es gewusst, als sie noch klein gewesen waren, und Erwachsene wussten es jetzt auch. Sie spürten irgendwie, dass er keiner von ihnen war.
    Und das war er auch nicht, er war ein Wechselbalg. Über Wechselbälger wusste Eliza Bescheid. Sie hatte darüber gelesen in dem Märchenbuch, das eine Zeit lang in der Pfandleihe gelegen hatte. Es waren auch Bilder darin gewesen. Von Feen und Kobolden, die genauso aussahen wie Sammy mit seinen dünnen, rötlichen Haaren, den langen, dürren Gliedmaßen und seinen runden, blauen Augen. Nach dem, was ihre Mutter erzählt hatte, war Sammy schon als Baby anders gewesen als andere Kinder, arglos und still. Sie hatte immer gesagt, dass Sammy im Gegensatz zu Eliza, die mit hochrot angelaufenem Kopf gebrüllt hatte, wenn sie hungrig war, nie geweint hatte. Er hatte still in seiner Schublade gelegen und gelauscht, als würde irgendeine wunderschöne Musik mit der Brise hereingetragen, die niemand außer ihm hören konnte.
    Eliza war es schließlich gelungen, ihre Vermieter davon zu überzeugen, dass Sammy ihnen mehr einbrachte, wenn er für Mr Suttborn Schornsteine fegte. Seit es gesetzlich verboten war, Kinder in die Schornsteine zu schicken, gebe es nicht mehr viele Jungen in Sammys Alter, die diese Arbeit verrichteten, argumentierte
sie, und niemand könne die engen Schornsteine über den Dächern von Kensington so gut reinigen wie so ein magerer Knirps mit spitzen Ellbogen, die wie gemacht seien für das Erklimmen dunkler, rußiger Kamine. Dank Sammy waren Mr Suttborns Auftragsbücher immer voll, und ein regelmäßiger Lohn sei doch sicherlich viel mehr wert als die vage Hoffnung, dass Sammy vielleicht hin und wieder etwas Brauchbares im Schlamm entdecken könnte.
    So weit zeigten die Swindells Einsicht - sie waren hocherfreut über jede Münze, die Sammy nach Hause brachte, ebenso wie sie das Geld von Sammy und Elizas Mutter gern genommen hatten, als sie noch lebte und Schreibarbeiten für Mr Blackwater erledigte -, aber Eliza wusste nicht, wie lange das noch gut gehen würde. Vor allem Mrs Swindell kannte nichts als ihre Geldgier und sie genoss es, versteckte Drohungen vor sich hin zu murmeln über Wohltäterinnen, die ständig herumschnüffelten, um Gesindel von der Straße ins Armenhaus zu befördern.
    Mrs Swindell hatte immer schon Angst vor Sammy gehabt. Sie gehörte zu der Sorte Menschen, die auf alles, was sie sich nicht erklären konnten, mit Angst reagierten. Eliza hatte einmal gehört, wie sie Mrs Barker, der Frau des Kohlenträgers, zuflüsterte, sie habe von Mrs Tether, der Hebamme, die bei den Zwillingen Geburtshilfe geleistet hatte, gehört, Sammy sei mit der Nabelschnur um den Hals auf die Welt gekommen. Er hätte die erste Nacht nicht überlebt und sein erster Atemzug wäre sein letzter gewesen, wären da nicht dunkle Mächte am Werk gewesen. Teufelswerk, sagte sie, die Mutter des Jungen habe mit dem da unten einen Handel ausgemacht. Man brauche ihn doch nur anzusehen - die Art, wie seine Augen tief in einen hineinsähen, die Stille in seinem Körper, so anders als all die anderen Jungen seines Alters -, also wirklich, irgendwas stimme hinten und vorn nicht mit diesem Sammy Makepeace.
    Solche verrückten Geschichten sorgten dafür, dass Eliza
Sammy noch leidenschaftlicher beschützte. Manchmal, wenn sie nachts im Bett lag und die Swindells schimpfen und deren kleine Tochter Hatty wie am Spieß brüllen hörte, malte sie sich gern lauter schreckliche Dinge aus, die Mrs Swindell zustoßen könnten. Dass sie beim Waschen ins Feuer

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