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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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»Verschon mich endlich mit diesem albernen Gerede, ich kann ja keinen klaren Gedanken fassen.«

    Einen Moment lang saß sie schweigend da und musterte Eliza mit zusammengekniffenen Augen, nickte ein paarmal, während sie einen Entschluss fasste. »Als Lohn für deine Quengelei werde ich persönlich dafür sorgen, dass der Junge nichts Besseres bekommt, als er verdient hat. Er kriegt ein Armenbegräbnis.«
    »Bitte …«
    »Und die fünfzehn Pence gibst du mir für den Ärger, den du mir machst.«
    »Aber Mrs Swindell -«
    »Halt den Mund. Das wird dir eine Lehre sein. Heimlich Geld sparen. Warte nur, bis Mr Swindell nach Hause kommt und das erfährt, dann kannst du was erleben.« Sie reichte Eliza die Suppenschüssel. »Jetzt tu mir noch Suppe auf, dann bringst du Hatty ins Bett.«
     
     
     
    Nachts war es am schlimmsten. Die Straßengeräusche klangen schriller als sonst, Schatten huschten grundlos hin und her, und zum ersten Mal in ihrem Leben allein in dem winzigen Zimmer wurde Eliza Opfer ihrer Albträume. Albträume, die viel schrecklicher waren als alles, was sie sich in ihren Geschichten je ausgemalt hatte.
    Tagsüber war es, als hätte sich die Welt von innen nach außen gestülpt wie ein Wäschestück auf der Leine. Alles hatte die gleiche Form, Größe und Farbe und war dennoch völlig falsch. Und auch wenn Elizas Körper nach außen hin genauso funktionierte wie immer, streiften ihre Gedanken durch die endlose Landschaft ihrer Angst. Immer und immer wieder sah sie Sammy vor ihrem geistigen Auge mit verdrehten Gliedern auf dem Grund des Armengrabs von St. Bride’s liegen, wo man ihn zu den namenlosen Toten geworfen hatte. Gefangen unter der Erde, die Augen, die sich öffnen wollten, der Mund, der rufen wollte, dass alles ein Irrtum war.

    Denn Mrs Swindell hatte ihren Willen durchgesetzt, und Sammy hatte nur ein Armenbegräbnis bekommen. Eliza hatte die Brosche aus ihrem Versteck genommen und war sogar zu John Picknicks Haus gegangen, aber am Ende hatte sie es nicht übers Herz gebracht, sie zu verkaufen. Gut eine halbe Stunde hatte sie vor der Tür gestanden und versucht, zu einer Entscheidung zu gelangen. Wenn sie die Brosche verkaufte, hätte sie genug Geld, um Sammy ordentlich beerdigen zu können. Aber sie wusste auch, dass Mr und Mrs Swindell sie zur Rede stellen und dann gnadenlos dafür bestrafen würden, dass sie ihnen so einen wertvollen Gegenstand vorenthalten hatte.
    Aber letztlich war es weder die Angst vor den Swindells, die zu ihrer Entscheidung geführt hatte, noch die Stimme ihrer Mutter, die sich laut meldete und sie an das Versprechen erinnerte, die Brosche nur dann zu verkaufen, wenn der Phantommann sie bedrohte.
    Es war ihre eigene Angst, dass die Zukunft womöglich noch Schlimmeres bereithielt als die Vergangenheit. Dass vielleicht irgendwo im Nebel der Zukunft eine Situation lauerte, in der die Brosche ihre einzige Überlebenschance sein würde.
    Ohne einen Fuß in Mr Picknicks Haus gesetzt zu haben, hatte sie sich schließlich umgedreht und war in Swindells Pfandleihe zurückgeeilt, während die Brosche in ihrer Hosentasche brannte wie das leibhaftige schlechte Gewissen. Aber sie sagte sich, dass Sammy sie verstehen würde, dass er ebenso wie sie gewusst hatte, wie teuer das Leben an der Flussbiegung war. Dann rollte sie die Erinnerung an ihn liebevoll zu einer kleinen Kugel, umwickelte sie mit mehreren Lagen von Gefühlen - Freude, Liebe, Zugehörigkeit -, für die sie keine Verwendung mehr hatte, und verschloss sie tief in ihrem Inneren. Bar solcher Erinnerungen und Gefühle zu sein, fühlte sich besser an. Denn seit Sammys Tod war Eliza nur noch ein halber Mensch. Wie ein Zimmer, in dem man das Kerzenlicht gelöscht hatte, war ihre Seele kalt, dunkel und verloren.

    Wann war ihr die Idee eigentlich zum ersten Mal gekommen? Später war sich Eliza nicht mehr sicher. Der fragliche Tag war nichts Besonderes gewesen. Eliza war aufgewacht wie jeden Morgen. Sie öffnete die Augen im Dämmerlicht des winzigen Zimmers, lag still da und kehrte nach einer langen qualvollen Nacht langsam in ihren Körper zurück.
    Sie schlug ihre Seite der Bettdecke zurück und stellte die nackten Füße auf den Boden. Ihr langer Zopf fiel über eine Schulter. Es war kalt; der Herbst war dem Winter gewichen, und der Morgen war so dunkel wie die Nacht. Eliza zündete ein Streichholz an und hielt es an den Kerzendocht, dann betrachtete sie die Kittelschürze, die an der Tür hing.
    Woher kam der Impuls?

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