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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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hatten sie schon immer argwöhnisch gemacht. Wenn ihre Mutter oder Len ihr überraschenderweise ein Geschenk machten, folgte gewöhnlich irgendetwas Unangenehmes.
    »Du wirst es schon lernen«, sagte Nell. »Du hast Augen und Hände. Zeichne, was du siehst.«
    Cassandra seufzte geduldig. Nell steckte voller verrückter Einfälle. Sie war ganz anders als die Mütter anderer Kinder, und sie war erst recht anders als Lesley, aber sie meinte es gut, und Cassandra
wollte sie nicht verletzen. »Ich glaube, zum Zeichnen gehört ein bisschen mehr, Nell.«
    »Unsinn. Du musst einfach nur lernen zu sehen, was wirklich da ist, und nicht, was du zu sehen glaubst .«
    Cassandra hob zweifelnd die Brauen.
    »Alles besteht aus Linien und Formen. Es ist wie ein Code, du brauchst nur zu lernen, wie man ihn entziffert und deutet.« Nell zeigte auf eine Lampe. »Die Lampe da. Sag mir, was du siehst.«
    »Äh … eine Lampe?«
    »Siehst du, da hast du das Problem«, sagte Nell. »Wenn du nichts als eine Lampe siehst, wirst du nie lernen, sie zu zeichnen. Aber wenn du siehst, dass es sich um ein Dreieck und ein Rechteck handelt und dass beide durch ein dünnes Rohr miteinander verbunden sind, dann hast du schon die halbe Miete.«
    Cassandra zuckte die Achseln.
    »Tu mir den Gefallen. Versuch’s einfach.«
    Cassandra seufzte - zum Zeichen, dass sie sich in ihr Schicksal fügte.
    »Wer weiß, vielleicht wirst du dich noch selbst überraschen.«
    Und das hatte sie getan. Nicht dass sie von Anfang an ein außerordentliches Talent bewiesen hätte. Die Überraschung war vielmehr die Tatsache gewesen, dass es ihr so viel Spaß machte. Wenn sie dasaß, den Zeichenblock auf den Knien und den Bleistift in der Hand, konnte sie die Zeit und alles um sich herum vergessen …
    Der Kellner kam und stellte einen Korb mit Brot und eine kleine Schale mit einer dunklen Paste auf den Tisch. Er nickte, als Ruby eine Flasche Sekt bestellte. Nachdem er gegangen war, fischte Ruby sich ein Stück warmes Knoblauchbrot aus dem Korb, zwinkerte Cassandra zu und zeigte auf die Schale. »Probier mal die Tapenade. Sie ist absolut köstlich.«
    Cassandra strich sich etwas von der dunklen Olivenpaste auf ein Stück Brot.

    »Kommen Sie schon, Cassandra«, ermunterte sie Grey. »Erlösen Sie ein altes, unverheiratetes Paar von seinen Kabbeleien und erzählen uns, was Sie heute in Erfahrung gebracht haben.«
    Cassandra klaubte ein Stückchen Olive von der Papiertischdecke. Rieb mit dem Daumen über den dunklen Fleck.
    »Ja, war irgendwas Aufregendes dabei?«, fragte Ruby.
    Cassandra hörte sich sagen: »Ich weiß jetzt, wer Nells leibliche Eltern waren.«
    Ruby quiekte vor Begeisterung. »Was? Wer denn? Wie hast du das denn rausgefunden?«
    Cassandra biss sich auf die zitternde Lippe und schaffte es, ein selbstbewusstes Lächeln zustande zu bringen. »Rose und Nathaniel Walker.«
    »Ach du lieber Himmel, der heißt ja genauso wie mein Maler, Grey! Was für ein Zufall, wir haben doch heute noch über ihn gesprochen, und er hat sogar mal auf demselben Landsitz …« Ruby unterbrach sich und erbleichte. »Hast du wirklich Nathaniel Walker gesagt?« Sie schluckte. »Dein Urgroßvater war Nathaniel Walker?«
    Cassandra nickte und musste unwillkürlich grinsen. Sie kam sich irgendwie lächerlich vor.
    Ruby fiel regelrecht die Kinnlade herunter. »Und du hattest keinen Schimmer? Ich meine, als wir uns heute in der Gallery getroffen haben?«
    Cassandra, die immer noch grinste wie eine Närrin, schüttelte den Kopf.»Ich hab’s erst heute Nachmittag erfahren, als ich in Nells Notizheft gestöbert habe.«
    »Ich kann nicht fassen, dass du nicht sofort mit der Neuigkeit rausgeplatzt bist, als wir uns an den Tisch gesetzt haben!«
    »Du hast dich doch die ganze Zeit übers Salsatanzen ausgelassen, da ist sie gar nicht zu Wort gekommen«, bemerkte Grey. »Und abgesehen davon, liebe Ruby, gibt es tatsächlich Leute, die ihr Privatleben nicht gern vor aller Welt ausbreiten.«

    »Ach, komm schon, Grey, kein Mensch behält gern ein Geheimnis für sich. Das einzig Spannende an einem Geheimnis ist zu wissen, dass man es eigentlich nicht hätte verraten dürfen.« Ruby schaute Cassandra kopfschüttelnd an. »Du bist also mit Nathaniel Walker verwandt. Wahnsinn!«
    »Es kommt mir irgendwie komisch vor, und vor allem so unerwartet.«
    »Sagenhaft«, seufzte Ruby. »Da durchforsten alle möglichen Leute die Geschichtsbücher in der Hoffnung, irgendeinen Beweis dafür zu finden, dass sie

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