Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
entfernt mit jemandem wie Scheiß-Winston-Churchill verwandt sind, und dir fällt das Glück in Gestalt eines berühmten Malers einfach so in den Schoß.«
Cassandra lächelte, sie kam nicht dagegen an.
Der Kellner kam wieder an den Tisch und schenkte allen ein Glas Sekt ein.
»Auf das Lüften von Geheimnissen«, sagte Ruby und hob ihr Glas.
Sie stießen an und tranken einen Schluck.
»Verzeihen Sie mir meine Unwissenheit«, sagte Grey, »ich bin in Kunstgeschichte nicht so bewandert, wie ich es sein sollte, aber wenn Nathaniel Walker eine Tochter hatte, die verschwunden ist, dann hätte es doch bestimmt eine Riesensuchaktion gegeben, oder?« Er hob eine Hand, als Cassandra etwas sagen wollte. »Ich will ja nicht die Nachforschungsergebnisse Ihrer Großmutter infrage stellen, aber wie, zum Teufel, kann die Tochter eines berühmten Künstlers verschwinden, ohne dass jemand etwas davon mitbekommt?«
Ausnahmsweise hatte Ruby darauf keine Antwort parat. Sie schaute Cassandra an.
»Nach dem, was ich aus Nells Aufzeichnungen entnehmen kann, geht aus den Registern hervor, dass Ivory Walker im Alter von vier Jahren gestorben ist. Und Nell war vier Jahre alt, als sie in Australien eintraf.«
Ruby rieb sich die Hände. »Du glaubst also, sie wurde entführt, und die Entführer haben es dann so aussehen lassen, als wäre sie gestorben? Wie aufregend! Aber wer kann das getan haben? Und warum? Was hat Nell denn darüber in Erfahrung gebracht?«
Cassandra lächelte verlegen. »Diesen Teil des Rätsels hat sie anscheinend nie lösen können. Jedenfalls nicht mit Sicherheit.«
»Was soll das heißen? Wie kommst du darauf?«
»Ich hab die letzten Seiten ihrer Aufzeichnungen gelesen. Nell hat es nicht rausgefunden.«
»Aber irgendwas muss sie doch rausgefunden haben. Hat sie nicht wenigstens eine Theorie gehabt?« Ruby wirkte beinahe verzweifelt. »Bitte sag mir, dass sie eine Theorie hatte! Hat sie uns irgendeinen Hinweis hinterlassen, an dem wir anknüpfen können?«
»Es gibt einen Namen«, sagte Cassandra. »Eliza Makepeace. Ich habe vorher noch nie von ihr gehört, aber ich glaube, sie war damals ziemlich bekannt. Es gibt einen Koffer, der irgendwie in Nells Besitz gelangt ist, und dieser Koffer enthielt unter anderem ein Märchenbuch, das offenbar einige Erinnerungen wachgerufen hat. Möglicherweise hat diese Eliza Nell ja tatsächlich auf das Schiff gebracht, aber sie selbst ist nie in Australien angekommen.«
»Was ist denn aus ihr geworden?«
Cassandra hob die Schultern. »Es gibt nichts Offizielles. Es ist, als hätte sie sich genau zu der Zeit, als Nell sozusagen nach Australien ›verschifft‹ wurde, in Luft aufgelöst. Was auch immer Eliza vorgehabt haben mag, es muss am Ende schiefgelaufen sein.«
Der Kellner füllte ihre Gläser nach und fragte, ob sie jetzt das Essen bestellen wollten.
»Gute Idee«, sagte Ruby. »Geben Sie uns noch fünf Minuten?« Entschlossen schlug sie die Speisekarte auf und seufzte. »Gott, ist das aufregend. Wenn ich mir vorstelle, dass du morgen nach Cornwall fahren und endlich das geheimnisvolle Haus sehen wirst! Wie kannst du das bloß aushalten!«
»Werden Sie in dem Haus wohnen?«, wollte Grey wissen.
Cassandra schüttelte den Kopf. »Der Anwalt, der den Schlüssel hat, sagt, es ist eigentlich nicht bewohnbar. Ich habe ein Zimmer im Hotel Blackhurst gebucht, das liegt ganz in der Nähe. In dem Haus hat früher die Familie Mountrachet gewohnt, Nells Familie.«
»Deine Familie«, bemerkte Ruby.
»Ja.« Daran hatte Cassandra noch gar nicht gedacht. Ohne, dass sie es wollte, verzogen sich ihre Lippen wieder zu einem zitternden Lächeln.
Ruby schüttelte sich theatralisch. »Ich sterbe vor Neid. Ich würde alles dafür geben, so ein Geheimnis in meiner Familiengeschichte zu haben, so was Aufregendes, dem ich auf die Spur kommen müsste.«
»Für mich ist das alles tatsächlich ziemlich aufregend. Es lässt mich gar nicht mehr los. Dauernd sehe ich dieses kleine Mädchen vor mir, die kleine Nell, die ihrer Familie entrissen wurde und ganz allein am Kai auf ihrem Koffer sitzt. Ich kriege das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Ich wüsste so gern, was wirklich passiert ist, wie es möglich ist, dass sie mutterseelenallein am anderen Ende der Welt gelandet ist.« Plötzlich war Cassandra ganz verlegen, hatte das Gefühl, zu viel geredet zu haben. »Das ist wahrscheinlich ziemlich albern.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich finde es absolut verständlich.«
Etwas an Rubys
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