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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ein wenig schief. Darauf stand über einer mit groben Pinselstrichen gemalten schwarzen Kapuze mit zwei Augenhöhlen Gefallene Axt . Irgendwie zog mich das an.
    Drinnen befand sich ein großer Raum mit niedriger Decke, die auf grob behauenen Baumstämmen ruhte. Tische waren um jeden Stamm gruppiert. Ein Trog mit Wasser stand an der gegenüberliegenden Wand, darin schwammen Eisstücke.
    Seeleute aus einem halben Dutzend Ländern saßen an den Tischen. Nur wenige Selistani waren darunter, was mir nur recht war.
    Der Wirt, ein glatzköpfiger Mann aus der Gegend, nickte. Ich wusste nicht recht, was ich jetzt tun sollte.
    Geld. Geld! Ich hatte noch nie etwas gekauft. Ich legte ein halbes Dutzend Kupfermünzen auf den Tresen.
    Er nickte wieder. Dann stellte er eine Schale vor mich und goss etwas Dunkles und Schäumendes aus einem Krug ein.
    Ich roch daran. Bitter, fast lehmig, vermischt mit Hefe. Ale? Es gab Weine im Granatapfelhof und auch an der Tafel im Lilientempel. Meister Kareen hatte Bier bevorzugt, das nach Sumpfwasser schmeckte. Ich hatte nie selbst einen Schluck genommen.
    Ich nahm meine Schale, begab mich an einen freien Tisch und hörte zu. Die Seeleute redeten in verschiedenen Sprachen, die ich nicht kannte. An einem Tisch allerdings sprachen sie einen petraeanischen Dialekt.
    Das passte. Ich lauschte eine Weile den Worten, die ein seltsames Zugehörigkeitsgefühl in mir weckten. Dann trank ich einen Schluck von der dicken, abstoßenden Brühe. Ich wusste, dass ich wie ein Paradegockel aussah. Aber niemanden interessierte das hier, denn die Hälfte von ihnen sah nicht weniger exotisch aus.
    Schließlich kehrte ich mit einem Lächeln hinter meiner Maske in den Tempel zurück.
    »Green.« Mutter Vajpai stand im Eingang zu dem Übungsraum, in dem ich Pfeile rasch hintereinander auf ein Ziel schoss.
    Mit einem Pfeil an der Sehne wandte ich mich um.
    Sie ignorierte die Waffe und trat zu mir. »Wie geht es dir, mein Mädchen?«
    Wir hatten in den letzten Wochen nicht viel miteinander gesprochen. »Ganz gut, Mutter.«
    »Die Zeit rückt näher, da du dein Gelübde ablegen musst.« Sie ergriff den Pfeil gerade unterhalb der scharfen Spitze und schob den Bogen beiseite.
    Ich nahm den Pfeil von der Sehne. »Ja, Mutter.« Mein Wunsch, den Schwur abzulegen, wurde immer geringer. Seit Currys Tod hatte die Göttin nicht mehr zu mir gesprochen. Meine Querelen mit den älteren Klingen schwächten die Verbundenheit unter uns Schwestern.
    »Wir ließen dich schon zu lange untätig sein. Deine … Verkleidungssucht ist unziemlich.«
    In ihrer gegenwärtigen Stimmung blieb mir nur, ruhig zu argumentieren. »Ich möchte, dass mich niemand erkennt, wenn ich in die Stadt gehe, Mutter. Mit meinem Gesicht kann ich nicht einfach in einen Sari schlüpfen und vorgeben, eine Kaufmannstochter zu sein. Eine Verkleidung lenkt die Aufmerksamkeit auf etwas, das ich nicht bin.« Ich lächelte. »Mutter Argai brachte mich auf diesen Gedanken.«
    »Ich habe mit Mutter Argai über die Weisheit ihrer Anregungen gesprochen.« Sie seufzte. »Du musst mehr arbeiten. Weniger spielen.«
    Ich hob den Bogen. »Ich arbeite die ganze Zeit.«
    Ihre Stimme war sanft. »Wofür, Green? Wir dienen hier der Göttin. Du bist seit Erreichen des letzten Petalums unentschlossen geblieben.«
    »Für das Ziel, das ich für das beste halte. Die Göttin lenkt uns alle, sagst du. Vielleicht lenkt sie mich in eine Richtung, die deinem Blick noch verborgen ist.«
    »Wie auch immer.« Mutter Vajpais Ton war blanker Stahl. »Ab jetzt begleitest du die Klingen. Ich teile dich Mutter Shesturi zu. Ihr Trupp patrouilliert die Stadt an sechs Tagen in der Woche nach einem Einsatzplan, den sie selbst festlegt.«
    Ihr Trupp war eine Gruppe von Klingen.
    »Ich habe noch nicht geschworen.«
    »Das wirst du bald tun.«
    Wir werden sehen, dachte ich. »Was ist mit meinen Hafenausflügen?«
    Nach längerem Schweigen sagte sie: »Die verbiete ich dir nicht. Die Liliengöttin hält Ihre Anhänger nicht in diesen Mauern gefangen.«
    Das Unausgesprochene hing noch zwischen uns wie ein lautloser Fluch.
    Die Frauen in Mutter Shesturis Trupp hätten nicht verschiedener sein können. Alle Klingen standen außerhalb der Normen des Tempels der Silbernen Lilie und sicherlich der Maßstäbe der Frauen von Kalimpura. Mir wurde rasch klar, warum ich hier war. In Mutter Shesturis Gruppe waren die Außenseiter unter den Außenseitern.
    Wir trafen uns in einem der Einsatzräume, die auf der Rückseite des

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