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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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einfacher ist. Bitte, komm mit.«
    Ich folgte ihm im Zickzack durch den unübersichtlichen Raum. Das Stimmengewirr erinnerte mich eigentümlich an den Untergrund mit seinem Geflüster und den fernen Echos. Wir stiegen eine prächtige Treppe empor, die jetzt hauptsächlich als Dokumentenlagerstätte diente, komplett mit kleinen Zetteln an den Stapeln von Papieren und Büchern. Als wir die Treppe aus der Steueretage hinter uns hatten, wurde es viel ruhiger.
    Der Schreiber hielt an. »Also, du bist natürlich das Mädchen.« Sein Tonfall wurde amtlich. »Ich bin Mr. Nast.«
    »Mein Name ist Green, Nast.«
    »Und mein Name ist Mr. Nast, Green.« Sein Lächeln war mehr eine bewegliche Falte in seinem Gesicht. »Ich hoffe, dass wir die besten Freunde werden.«
    Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
    Mr. Nast führte mich durch einen Korridor mit Büros, in denen zahlreiche weitere Menschen arbeiteten, darunter einige Frauen, aber in der Mehrzahl beleibte ältere Männer. Auch hier stapelten sich die Dokumente an den Wänden. Eine große Buntglastür vermittelte wiederum Staunenswertes aus der Filzproduktion. Dahinter fand offenbar eine heftigere Debatte statt.
    Nast pochte kräftig an die Tür.
    »Wir sind in einer geheimen Sitzung!«, rief eine Stimme.
    »Sir«, sagte der alte Schreiber. »Das Mädchen Green ist hier.«
    Stille setzte ein. Hinter mir erstarb die lärmende Geschäftigkeit. Ich drehte mich um und sah bleiche Gesichter in den Türöffnungen. Eine junge Frau hatte mit einem Arm voll Aktenordnern angehalten und die Hand auf den Mund gepresst.
    »Du darfst jetzt eintreten«, sagte der alte Schreiber. »Viel Glück, junge Dame.«
    Ich öffnete die Tür und ging hinein, um endlich Federo wiederzusehen.
    Fünf Leute befanden sich in dem Raum. Mein Blick erfasste alle Details: ihre Waffen, die möglichen Fluchtwege – in diesem Moment war ich eine Lilienklinge in Aktion. Dann begegnete ich Federos Blick und war wieder nur ein Mädchen unter einem Granatapfelbaum, das auf die Rückkehr seiner geheimen Freundes wartete.
    Diese Gefühle überspülten mich, wie Wellen über ein Hindernis schwappen. Sie verflogen so rasch, wie sie gekommen waren, und ich wurde wieder ganz ich selbst.
    Federos gelbbraunes Haar erschien mir dunkler, außer dort, wo es grau geworden war. Sein Gesicht war faltiger, als hätten ihm die Jahre weitaus mehr zugesetzt als mir. Selbst seine Augen schienen ihren Glanz eingebüßt zu haben.
    Einen langen Moment blickte er mich grimmig an, dann stieg ein breites Lächeln in sein Gesicht. »Green!«, rief er und sprang aus seinem Ledersessel. Er eilte um den Tisch herum und sagte in Seliu: »Willkommen, schön, dass du wieder hier bist.« Dann drückte er mich an sich.
    Das fühlte sich zumindest echt an, wenn mich auch der grimmige Blick davor verunsicherte. Als wir uns voneinander lösten, erwiderte ich in derselben Sprache: »Es ist mir eine Ehre, in deiner Heimat zu sein.« Ich benutzte eine förmliche Phrase, die deutlich machte, dass ich mich nur als Gast fühlte. Dann blickte ich an ihm vorbei. »Wissen sie von allen meinen Taten?«
    »Nur zu einem geringen Teil.« Seine Augen flatterten wie Vögel aus meinem Blick und straften seine Worte Lügen. »Nur was notwendig ist, nicht mehr.«
    Ich war traurig darüber, dass er unser Wiedersehen mit einer Unwahrheit begann. Irgendetwas an ihm hatte das Misstrauen der Tanzmistress geweckt. Ich konnte sehen, warum, wenn auch nicht, was.
    »Darf ich dir den Übergangsrat vorstellen«, sagte er in Petraeanisch. Drei der vier kannte ich nicht, aber der Letzte war der Pater Primus aus Schwarzbluts Tempel. Er trug einen formellen Cut über einer blutroten Weste und sah jetzt mehr wie ein Bankier und weniger wie ein Obsthändler aus. Ohne seine Kapuze konnte ich sehen, dass sein Haar diese seltene und eigentümliche nördliche Orangefärbung besaß, blond vermischt mit Kupfer. Er beantwortete meinen Blick mit einem leichten, aber abweisenden Nicken.
    Verwirrt überließ ich Federo die Vorstellung.
    »Das ist Loren Kohlmann«, sagte er und deutete auf einen rundlichen Mann mit Glatze und haarlosen Augenbrauen. Kohlmann trug einen unauffälligen grauen Anzug, der in den Finanzberufen üblich war. Er war blass wie die anderen und hatte dunkle Augen. Sein Fett hing nicht in Wülsten, was auf verborgene Muskeln schließen ließ. »Loren vertritt die Lagerhausarbeiter und die Konsumwarenmakler.«
    Dann deutete Federo zu dem Mann links neben Kohlmann. Er

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