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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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hatte sandfarbenes Haar und die braun gebrannte Haut und muskulöse Hagerkeit eines Seemannes, obgleich auch er einen Anzug trug. Ich hätte dem Ausdruck seiner Augen vertraut, wenn er mir im Hafen begegnet wäre. »Das ist Kapitän Roberti Jeschonek. Er vertritt den Seehandel und alle, die an Land dafür tätig sind.«
    Der nächste Mann war natürlich der Pater Primus. »Dort sitzt Stefan Mohanda. Er vertritt die Banken und Börsen von Copper Downs.« Mohanda nickte wieder und bedachte mich mit einem herausfordernden Lächeln. Jetzt verstand ich die Masken und Kapuzen. Ich wunderte mich jedoch, warum er mir in Schwarzbluts Tempel sein wahres Gesicht gezeigt hatte.
    »Unser letztes Ratsmitglied ist Mikkal Hiebert. Er vertritt die Kutscher, die Arbeiter und das gesamte Baugewerbe.« Hiebert grinste mir zu. Übertrieben in helle, bunte Roben gekleidet sah er aus wie ein Mann, der das Leben mehr als alle anderen genoss.
    »Die Tanzmistress vertritt alle, die von Geburt und Volk nicht petraeanisch sind«, schloss Federo.
    Ich wollte fragen, wer die Armen vertrat, die Kinder, die Frauen, die Zehntausende von Menschen dieser Stadt, die in diesem Raum keine Stimme hatten. Ich war keine Närrin, deshalb hielt ich meinen Mund. Auf ihre Art hatten diese stolzen Nordländer die Höfe von Kalimpura neu erfunden. Einer spöttischen Bemerkung konnte ich mich jedoch nicht enthalten. »Es überrascht mich, dass eure wiedererwachenden Götter keine Stimme im Übergangsrat haben.«
    Erneut glitt einen Wimpernschlag lang ein Schatten über Federos Gesicht. »Der Tempelbezirk hat Mittel und Wege, seine Wünsche kundzutun.«
    Wenigstens schaffte er es, dabei nicht in Mohandas Richtung zu blicken. War das sein düsteres Geheimnis? Es würde passen – ein Geschöpf seines Gottes lauerte mir und der Tanzmistress auf und streckte sie nieder. Das änderte die Lage, weil sie aus dem Spiel und ich auf Federo angewiesen war. Auf den Mann, der mich am Beginn meines Lebens geraubt hatte.
    »Ist dem Rat bereits bekannt, was der Tanzmistress letzte Nacht passiert ist?« Ich gönnte mir einen grimmigen Blick auf den Priester, der sich hinter der Maske eines Bankiers versteckte.
    »Wir erhielten die Nachricht heute Morgen«, sagte Federo ernst. »Sie wurde verwundet, als sie dir bei einem Angriff im Untergrund beistand. Dann brachte euch beide ein junger Priester in Sicherheit. Ich hörte, dass sie sich im Tempel der Algesien erholt.«
    »Ja. Dieser Kult hat beste Verbindungen, wie mir scheint.«
    Alle lachten, auch Mohanda. Als das Lachen verklang, kam ich rasch zum wesentlichen Punkt. »Man hat mich über das Sturmmeer hergeholt, um euch in eurer Verteidigung gegen einen Banditen in den Bergen zur Seite zu stehen. Ich habe gehört, er ist ein Mann. Ich habe gehört, er ist ein neuer Gott. Ich habe gehört, er brennt alles auf seinem Weg nieder. Ich habe gehört, er gewährt Höfen und Dörfern Schutz. Ich nehme an, bald wird das Gerücht umgehen, dass er meterlange Klauen, aber keine Zähne hat.« Ich blickte in die Runde. »Hat jemand von euch Choybalsan je wirklich gesehen?«
    Aller Blicke wandten sich Federo zu. Er schien sich unbehaglich zu fühlen, dieses Mal war es keine schlecht verhehlte Verlogenheit. »Ich bin in den letzten beiden Jahren hinter ihm her gewesen. Ich habe mit seinen Leutnants gesprochen, bin selbst mit seinen Einheiten marschiert. Er war oft fort; immer wenn ich mit ihm verhandeln wollte.«
    Für mich hörte sich das idiotisch an. »Wie kann ein Mann zwei Jahre lang mit einer großen Armee im nördlichen Hinterland herumziehen und nicht in die Nähe der Stadt kommen?«
    Kohlmann räusperte sich. »Vor zwei Jahren bestand seine Armee aus kaum einem Dutzend Reiter aus den Karstbergen.« Er sah in die Runde. »So wie man uns gesagt hat. Er brannte ein paar Ställe nieder und plünderte ein Herrenhaus oben im Tal des Schneegrenzflusses. Ein paar Monate später war er mit zwei Dutzend jungen Kerlen unterwegs, die sonst vielleicht zur See gegangen oder in irgendwelchen Wachtrupps in Copper Downs Aufnahme gefunden hätten.«
    »Seine Armee, in dem Sinn, wie ihr es meint, ist erst in diesem Sommer entstanden«, sagte Jeschonek barsch. »Er war anfangs ein Plünderer, eine Leitfigur für den unzufriedenen Landpöbel. Jetzt hat er zu viele Männer und braucht eine Stadt, um sie unterzubringen und zu versorgen.«
    Mein Blick wanderte zurück zu Federo. Der einstige Dandy sah so abgehärmt aus. Ich fragte mich, welchen Plan er und der

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