Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Wasser abschüttelt.«
Augenlose Gesichter. »Wie geht es ihr also?«
»Ihre Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich, aber der Rektifizierer meint, dass sie ein oder zwei Wochen im Bett bleiben müsste. Er fürchtet viel mehr um den Zustand ihres Seelenpfades. Er sagte mir, ich solle mir eine menschliche Seele vorstellen, die zerfetzt und verstreut wurde. Dann erschien der Tavernenwirt mit einem Heiler seines Volkes, gefolgt von einem kleinen streitbaren Haufen. Sie schienen zu allem bereit zu sein. Die Wunden der Tanzmistress wurden versorgt, und man reinigte sie auf die Art und Weise ihres Volkes.«
Ich hielt nah genug an den Stallungen an, dass mir der Pferdegeruch bereits kräftig in die Nase stieg. »Ich möchte sie gern sehen, bevor wir aufbrechen.«
»Das hat der Pater Primus verboten.«
Mir stellten sich die Haare im Nacken auf. »Er hat über mich nicht zu bestimmen.«
»Nein, nein«, sagte Septio. »Er hat wissen lassen, dass die Tanzmistress jetzt unter dem Schutz des Übergangsrates steht.«
Das gefiel mir alles nicht, aber ich wollte mich auch nicht unnötig dumm, oder schlimmer, kindisch benehmen. Ich hatte vom Übergangsrat seinen Auftrag übernommen. Wenn sie unter Federos wachsamen Augen genas, bot ihnen das vielleicht die Möglichkeit, einander wieder näherzukommen. Und ich als möglicher Anlass ihres Zwistes stand ihnen nicht im Wege. Es war das Beste für alle, wenn ich meinen begonnenen Weg fortsetzte.
Das klang zwar gut, aber so recht vermochte ich es nicht zu glauben. Etwas stimmte hier nicht. Im Augenblick wusste ich nicht, was, und mir fehlte der ausreichend triftige Grund, zur Stoffbörse zurückzugehen und einen Besuch zu erzwingen. Ich misstraute meinen Ahnungen.
Jetzt wünsche ich mir, ich hätte auf mich gehört, aber damals konnte ich nicht erkennen, wer Freund und wer Feind war. Ich folgte Septio in die Stallungen und bestieg zum ersten Mal in meinem Leben ein Pferd, um einen langen Ritt anzutreten.
Wer immer in einem Pferd eine Transportmöglichkeit gesehen hat, muss ein Mensch ohne Füße gewesen sein. Obgleich ich in den Feinheiten von Geschirr und Sattel und Zaumzeug und Haltung und Geschicklichkeit unterrichtet wurde, hatte ich auf einer halb zu Tode trainierten, zahmen Stute gesessen, und das alles im Granatapfelhof, wo das fernste Ziel nur einen Steinwurf weit weg war und niemand von mir erwartete, dass ich je wirklich selbst ritt.
Hoch auf dem knochigen Rücken eines störrischen Gauls zu sitzen, der eine schlechte Verdauung hatte und bei jeder Gelegenheit den Kopf ins Gras steckte, war etwas ganz anderes. Ich saß viel zu hoch für mein Gleichgewichtsgefühl. Das Pferd kümmerte sich wenig um meine Versuche, es zu bändigen. Selbst mit der Lederhose und Stiefeln, die mir der Stallknecht zur Verfügung stellte, löste der Sattel Schmerzen an Muskeln aus, die mir bisher unbekannt gewesen waren.
Septio lachte, als er mich nach dem Absteigen am ersten Nachmittag krummbeinig herumstapfen sah. »Meine Schenkel zittern ein wenig nach dem Ritt über Land«, stellte er mit einem Grinsen fest, »aber du hast den Veitstanz.«
»Komm mir nicht in die Quere. Ich bin in mörderischer Stimmung«, knurrte ich.
Er holte eine Decke, entfernte einige Steine vom Boden und breitete sie aus. »Hier. Leg dich eine Weile hin. Ich kümmere mich um die Pferde.«
Ich folgte seinem Rat und war erleichtert, dass ich eine Weile nicht in der Senkrechten bleiben musste. Der Kopf meines Pferdes huschte durch mein Blickfeld, als Septio es wegführte. Ich schwöre, das verdammte Biest hat gelacht. Die Schmerzen würden wieder verschwinden, dessen war ich sicher. Ich war Schmerzen gewohnt, denn irgendwann einmal hatte jeder Teil meines Körpers weh getan. Über den Gestank jedoch war ich mir nicht so sicher.
Ich zog die beiden Füße, mit denen ich auf die Welt gekommen bin, vor, selbst die Fahrt auf einem Schiff war besser.
Septio löste die Taschen, die wir in den Stallungen bekommen hatten, und nahm den Pferden dann die Sättel ab. Dann gab er ihnen Wasser, bürstete ihr Fell und pflockte sie anschließend im saftigen Gras außerhalb des Baumbestandes an, in dem wir lagerten. Ein Bach zwischen den Stämmen erklärte, warum das Wäldchen hier wuchs, in einem Hochtal, das sonst hauptsächlich Gestrüpp und niedrige Büsche beherbergte.
Ich blieb still liegen, während Septio unser Lager errichtete und Feuer machte. Er zog ein kleines Päckchen aus seiner Tasche und schüttete ein wenig
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