Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Landsleute gelangte. Sie schnitt und riss eine Weile mit dem Speerblatt und versuchte, dabei nicht mit den Fellen in Berührung zu kommen. Schließlich wandte sie sich um. »Fertig.«
Ich warf die letzten beiden Päckchen in die Feuerschale neben Choybalsans Kopf. Dann stolperte ich auf meine Freundin und Geliebte zu. Sie schob mich durch den Schlitz und folgte mir in die Nacht hinaus. Wir liefen über den freien Platz zu dem Ring aus verbranntem Boden, in den die Blitze gefahren waren. Das Lager schimmerte und flackerte vor uns.
Das Zelt flog mit einem dumpfen Knall, der in den Ohren schmerzte, in die Luft. Ich stolperte und wandte mich um. Die Tanzmistress fing mich am Arm. Ein Feuerball stieg in den Nachthimmel. Flammenzungen schossen aus ihm hervor. Ein Teil des Zeltes war eingestürzt. Der Rest brannte lichterloh.
Um uns herum erschütterte ein vielstimmiges Geschrei die Nacht.
»Lauf«, sagte sie. Wir kämpften uns durch die Menge, die wie eine Flut an uns vorbeiströmte.
Ich habe nie begriffen, wie wir die nächsten paar Minuten überlebten. Ein Sturm von Speeren und Schwertern glitzerte um uns herum. Ich bin nicht so leicht zu übersehen, wenn ich mich nicht gerade in der Dunkelheit verberge. Angesichts des Umstandes, dass ich in Begleitung einer Genette wie ein krummbeiniger Säufer durch das Lager stolperte, hätten wir auffallen müssen wie eine Tomate in einem Olivenfass.
Vielleicht lag die Hand der Liliengöttin schützend über uns. Sie hat es mir nie gesagt, und viel ist seither geschehen, das den Augenblick verschleiert.
Wir torkelten in ein Gebiet mit weniger Feuerstellen und mehr Buschwerk. Wir wussten beide, dass wir weit weg von den Banditenscharen sein mussten, bevor Grimm und Wut losbrachen. Ich glaubte nicht, dass wir lange überleben würden, aber ich hatte den Willen, zu rennen, so weit mich mein geschwächter Körper trug.
Schließlich erreichten wir einen Bach. Ich sank im Kies auf die Knie, um zu trinken. Die Tanzmistress kniete sich neben mich. Mehr denn je glich sie einer Raubkatze auf der Jagd.
»Kannst du zwischen diesen nassen Steinen gehen?«, fragte sie.
»Natürl …« Ich brach ab. Es war alles andere als natürlich. Dass ich mich überhaupt bewegen konnte war schon ein Wunder. Dass ich in der Dunkelheit den Halt verlor war mehr als wahrscheinlich. »Ich bitte um Verzeihung. Ich weiß es nicht.«
»Es bedeutet zusätzlichen Schutz auf deinem Weg. Sie werden dir nicht so rasch folgen können.«
»Kannst du mir einen größeren Stock beschaffen?« Ich schämte mich, darum zu bitten, ich, die ich von Dach zu Dach springen konnte. Aber so ein Stock mochte mir nun das Leben retten.
Sie verschwand in der Dunkelheit. Weit hinter uns sah ich viele flackernde Lichter. Panik? Oder die Fackeln einer Heerschar von Verfolgern?
Ich saß mit den Stiefeln im fließenden Wasser und fragte mich, wie ich überleben könnte.
Es waren nur ein paar Minuten, aber mir erschien es wie eine Ewigkeit, bis die Tanzmistress zurückkam. Sie hatte einen festen Stock in einer Hand und ein zuckendes Kaninchen mit gebrochenem Rücken in der anderen.
Dann dämmerte mir, dass sie »dein Weg« gesagt hatte. Nicht »unser Weg«. »Wohin gehst du?«
»Tiefer in die Berge.« Sie reichte mir den Stock und das Kaninchen. »Ich … ich glaube, wir sollten nicht zusammenbleiben. Was immer Federo gesucht hat, hoffte er durch das Zusammenwirken von uns beiden zu finden. Außerdem muss ich meinem Volk, was immer davon übrig ist, die Nachricht von den Ereignissen überbringen.«
Ich wollte weinen. Ich wollte sie umbringen. Ich wollte sie bitten zu bleiben. Ich wollte mich in den Bach legen und ertrinken, bevor die Verfolger mich fangen konnten.
Aber ich tat nichts dergleichen. Stattdessen sagte ich: »Ich werde dich vermissen.«
Die Tanzmistress küsste mich und strich mir dann mit ihrer rauen Zunge übers Gesicht. »Folge dem Wasser. Es führt dich zum Meer und zu der Stadt dort. Ich werde eine Spur legen, der sie eine Weile folgen werden, bevor sie ihren Irrtum erkennen.«
Bevor ich sie mit Logik oder Liebe festhalten konnte, lief sie in die Dunkelheit. Ich hatte fast Mitleid mit den Feinden, die dieser grimmerfüllten Helferin bei der Tötung eines Gottes in dieser Nacht über den Weg liefen.
Für die Liebe der Tanzmistress hatte ich einen Gottesmord herbeigeführt. War es nicht genau das, was die Liliengöttin fürchtete? Es wäre besser gewesen, gar nicht erst aufzubrechen.
Ferne Rufe erinnerten
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