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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Stelle ihres Aufpralles.
    Das war ich. Aus meinem Nest gefallen. Nur dass man mich nicht am Boden liegen ließ. Ich war über das Meer und wie jede andere Frucht in die Küche gebracht und nun zum Pläsier eines großen Mannes herausgeputzt worden.
    Hier hatte sich der Kreis fast geschlossen. Vielleicht brächte mich der Faktor zum Hafen, und wir würden an Bord der Schicksalsvogel gehen und eine Fahrt übers Meer in mein heißes Heimatland unternehmen. In Weiß gekleidet schritte ich dann die Straße von dem kleinen Fischerhafen über das Hochland entlang, dem Klang der fernen Glocken entgegen. Am Arm des Faktors kehrte ich zu meinem Vater zurück, und der Faktor würde lächelnd von meinen großen Fortschritten berichten.
    Selbst in der flüchtigen Phantasterei konnte ich zwar die braunen Augen des Ochsen so deutlich sehen, als stünde Ausdauer wirklich vor mir, doch mein Vater war nur ein dunkelhaariger Mann mit einer dunkelbraunen Haut wie meiner, der auf seine Reisfelder zurückeilte, während mich Federo fortzog.
    Er hatte sich nicht mehr nach mir umgedreht. Ich war nicht mehr stehen geblieben, um zu ihm zurückzublicken.
    Die Vergangenheit war ein schwarzer Schlund, wie die Löcher im Untergrund. Ein Schlund, der zu verschlingen drohte, was ich geworden war und was man so emsig in diesem Gefängnis an mir zu vervollkommnen trachtete.
    Dann wurden meine Gedanken vom Kreischen des Tores unterbrochen. Die beiden großen Torflügel gingen auf, wie es sonst nur für Lieferwagen und gelegentliche Kutschen geschah. Pferde kamen stampfend und schnaubend in den Hof, begleitet vom Klirren des Zaumzeugs und leisen Rufen der Reiter; Soldaten in hohen Lederstiefeln, die wie Insektenflügel glänzten. Ihre Uniformen hatten im Dienst gelitten, doch sie waren immer noch elegant und ordentlich. Die Reiter waren mit Schwertern und Lanzen bewaffnet und trugen Augenbinden, sodass sie mich nicht sehen konnten.
    Eine Kutsche folgte den Soldaten, ratterte auf mich zu und kam knarrend unter dem Granatapfelbaum zum Halten. Sie war glänzend schwarz und schaukelte leicht in den Leder- und Eisenbändern ihrer Aufhängung. Kein Siegel oder Wappen schmückte die Tür. Auch die Kutscher trugen Augenbinden und schienen damit mehr Probleme zu haben als ihre Eskorte.
    Eine Weile geschah nichts. Nichts bewegte sich, keine Stimme war zu hören, kein Geräusch erklang hinter den verdunkelten Fenstern der Kutsche. Die Tür wurde nicht geöffnet.
    Der Mann dahinter besaß mich. Ihm gehörte mein Leben. Auf sein Geheiß hatte mich Federo aus dem glühend heißen Süden verschleppt und hierher an die elende Steinküste gebracht. Meine Hände ballten sich, wie es mir die Tanzmistress beigebracht hatte, aber ich zwang mich, sie wieder zu öffnen.
    Geduld war stets die größte Lektion des Granatapfelhofes, die gleiche Geduld, die der Himmel die Steine des Erdreichs lehrte. Ich wartete verwundert.
    Sicherlich verdiente ich es, dass dieser Mann zu mir sprach. Fast mein ganzes Leben hatte sich auf diesen Augenblick zubewegt.
    Dann drehte sich der Türgriff der Kutsche geräuschvoll. Einen langen Moment hätte ich alles dafür gegeben, woanders zu sein.
    Die Tür schwang auf.
    Als der Faktor aus seiner Kutsche stieg, überraschte mich, wie unspektakulär seine Erscheinung war. Er war mittelgroß und trug einen dunklen Morgenanzug von klassischem Schnitt, mit Samtaufschlägen über dem gröberen Stoff, und dazu niedrige, in Knöchelhöhe gestülpte Halbstiefel. Sein Haar war braun, die grauen Augen seltsam goldgesprenkelt und seine Haut wies die für die Bewohner der Steinküste typische, durch die Sommersonne verursachte starke Hautrötung auf. Er hatte um die Mitte und an den Wangen Fett angesetzt. Pfeifentabakkrümel hatten sich an seinem gerafften Seidenhemd verfangen.
    Er trat so nah an mich heran, dass ich die Öle in seinen Haaren und den Amber und das Rosenöl seines Parfüms riechen konnte. Er roch überhaupt nicht nach Schweiß.
    Seine Ausstrahlung übertraf alles, was ich an einer Person für möglich gehalten hatte. Wie ein geheimnisvoller Prinz aus den Geschichten, die ich gelesen hatte, füllte der Faktor den ganzen Raum vor mir und um mich herum aus, als gehörte ihm die Welt und ich wäre nur ein winziger Eindringling. Windstille trat ein bei seinem Erscheinen. Die Stärlinge und Häher verstummten auf den Dächern und erstarrten, bis einer das Weite suchte. Alle anderen folgten mit panischen Flügelschlägen.
    Einen Augenblick schien die

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