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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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sie mit quietschenden eisenbeschlagenen Rädern an, und Fahrer und Ladung verschmolzen mit den Lagerhausgeräuschen.
    Menschen unterhielten sich im Vorbeigehen. Keine Worte drangen bis zu mir herauf, außer einem gelegentlichen überraschten oder aufgeregten Ausruf. Es war dennoch angenehm, das vorbeiziehende Stimmengemurmel zu hören.
    Die Geräusche aus dem Lagerhaus vernahm ich deutlicher. Wagen wurden beladen und entladen, und ein Vorarbeiter mit einer schrillen Stimme rief Befehle, die ich klar verstand. Das meiste sagte mir nicht viel, es betraf die Arbeit der Männer. »Den anderen Stapel Konserven, ihr faulen Säcke!«
    Es war, als wäre ich innerhalb der Mauern des Faktors und lauschte auf die Welt draußen, nur dass hier die Welt viel, viel näher war.
    Am späten Nachmittag des zweiten Tages, seit man mich wieder allein gelassen hatte, vernahm ich den Gleichschritt marschierender Männer. Jemand rief kurze Befehle, die mir unverständlich blieben. Dann vernahm ich Schritte, als eine Abteilung zu meinem Lagerhaus abkommandiert wurde. Ich hörte den anschließenden Streit. Männer wurden aufgefordert, Überstunden zu machen. Es würde keinen Lohn von der Stadt oder vom Herzog geben. Sie würden in der Hölle schmoren. Sie würden sie mit Freuden dahin schicken. Ein Streit ohne Namen oder Seiten, nur brüllende Männer und einmal der dumpfe Schlag einer Faust.
    Nach einer Weile wurden wieder Kisten bewegt, begleitet von deftigen Arbeiterflüchen. Ich lag auf dem Boden, presste mein Ohr an die staubigen Bretter und wartete, dass der Tod die Wände heraufgeklettert kam und mich fand.
    Warum hatte ich auf meiner Seide bestanden, bevor ich den Plan ausführen wollte? Ich hätte mich bereits auf den Weg machen können und eine kleine Chance gehabt, die Weltordnung zu verändern. Jetzt würde man mich erwischen, bevor ich die Worte kannte, die die Magie des Herzogs brechen konnten.
    Wenn es mir möglich gewesen wäre, aufzuhören zu atmen, hätte ich es getan. Nicht um zu sterben, sondern, um so lautlos wie ein Stück der Holzdecke zu sein. Still zu sein bedeutete, am Leben zu bleiben. Ich wagte den ganzen Abend nicht, nach einem Stück Käse oder Brot oder Wasser oder dem Pisstopf zu greifen. Die Geräusche schienen kein Ende zu nehmen. Ein Offizier kam gelegentlich in die Halle und rief nach jemandem mit Namen Mauricio.
    Spät wurden die Arbeiter schließlich entlassen, und die großen Tore schlossen sich donnernd. Ich hatte noch nie eine so große Erleichterung gespürt wie in der einsetzenden Stille.
    Ich setzte mich mit trockenem Mund und schmerzender Blase auf, aber dann kam mir in den Sinn, dass dieser Mauricio, wenn er ein schlauer Bursche war, einen Mann zurückgelassen haben mochte, der lautlos im Lagerhaus lauerte. Vielleicht hielt er schon ein Ohr an die Unterseite meines Bodens gedrückt und wartete darauf, dass ich mich mit einer Bewegung, einem Geräusch, einem Seufzen verriet.
    Diese Vorstellung ließ mich bis spät in die Nacht reglos verharren, bis der Druck in der Blase so dringend wurde, dass ich es bei aller Furcht im Herzen nicht mehr aushielt. Ich bewegte mich lautlos zum Topf, um mein Geschäft zu erledigen. Das Geräusch des Wasserlassens klang wie Donner in meinen Ohren, aber ich konnte nichts tun, als es zu Ende zu bringen und mich dann wieder zu verstecken, bis die Gefahr vorüber war.
    Mir wurde bewusst, dass die Gefahr vermutlich nie vorüber sein würde.
    Ich wurde aus einem Traum gerissen, in dem ich in einem kleinen Boot vor Verfolgern über das Meer floh. Verzweifelt rollte ich herum und griff nach etwas, mit dem ich mich verteidigen konnte. Ich schwang ein kleines Stück Käse, bevor ich erkannte, dass Federo die Klappe geöffnet hatte. Ein rascher Blick zum runden Fenster zeigte mir, dass es noch immer Nacht war.
    »Ich glaube nicht, dass dieser Blauschimmel so gefährlich ist«, sagte er milde. »Aber ich werde sehen, ob ich das nächste Mal, wenn ich einkaufen gehe, etwas weniger Schlagkräftiges finde.«
    Kichernd sank ich zurück. »Ich dachte, einer der Soldaten hätte sich unten versteckt, um auf verräterische Geräusche zu horchen.«
    »Soldaten?« Federos Miene wurde besorgt. »Einen Moment, bitte.« Er langte durch die Klappe hinunter und brachte zwei pralle Leinensäcke nach oben. Nachdem er die Bretter wieder zurechtgerückt hatte, bat er mich, zu erklären, was vorgefallen war.
    Ich erzählte ihm, was ich am Vortag gehört hatte, und nannte den Namen Mauricio. Federo

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