Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
zwar meinen Stolz befriedigen, aber meine Wut würde ihn nicht geneigter machen, mir mehr zu erzählen, als er bereits getan hatte. Geduld war eine schwere Lektion. Meine Lehrerinnen waren sehr gründlich gewesen.
An diesem Abend kam auch die Tanzmistress. Sie brachte Essen mit, dieses Mal geräuchertes Wildbret, getrockneten Knoblauch und Zwiebeln. Nach dem vorzeitigen Ende unseres Gesprächs hatten Federo und ich den Rest des Tages bis auf gelegentliche Bemerkungen schweigend genäht. Und ich bemühte mich, meinen Zorn in den Hintergrund zu drängen, wo er allgegenwärtig schwelte.
Ihre Ankunft war eine frische Brise in der dicken Luft unseres schwärenden Argwohns. Sie sah uns beide an und begriff, was geschehen war. Mir ist im Laufe der Zeit klar geworden, dass ihre Rasse menschliche Mienen nicht gut beurteilen konnte, aber sie vermochte menschliche Ausdünstungen umso besser zu deuten. Wir rochen beide nach den angestauten Gefühlen unseres vorangegangenen Streites. An diesem Abend fiel mir nur auf, dass sie, nachdem sie die einfache Mahlzeit auf dem Tisch bereitgelegt hatte, zwischen mir und Federo zu schlichten begann.
»Ihr seid gut vorangekommen.«
Wir hatten über zwölfhundert Glöckchen angenäht. Das waren weniger als vier Jahre meines Lebens, aber eine gute Leistung für einen Tag. Meine Finger schmerzten von den zahlreichen Nadelstichen. Es ging in der Tat voran.
»Ja«, gab ich zu.
Die Tanzmistress wandte sich mit einem ernsten Nicken an Federo und fragte leise: »Und wie war dein Tag? Gut, nehme ich an.«
»Wir haben von der Vergangenheit geredet«, murmelte Federo.
Sie wandte sich wieder an mich. »Das hat dich aufgebracht?«
Was für eine außerordentlich dumme Frage. Ich starrte sie nur an.
»Du hast Angst«, sagte sie.
»Ich bin wütend. Angst habe ich keine.«
»Furcht und Wut sind zwei Seiten derselben Klinge.«
Ich hatte verschiedene Versionen dieser Behauptung in einem halben Dutzend Texten gelesen. »Verschont mich mit solchen Plattheiten!«
»Nur weil etwas oft gesagt wird, schmälert das seinen Wahrheitsgehalt nicht«, sagte sie nachsichtig. »Manche würden sogar das Gegenteil denken.«
»Mein Zorn reicht für ein ganzes Leben. Wovor sollte ich mich also fürchten?«
Die Antwort war einfach genug. »Die Konsequenzen aus den Dingen, die geschehen sind. Und was die Zukunft kostet.«
»Was sie kostet? Das Leben ist nie umsonst.«
»Das ist wahr.« Sie nahm eine Nadel und begann zu nähen, wo ich zum Essen unterbrochen hatte. »Du bist jetzt zwölf Jahre alt, nicht?«
»Ich glaube schon«, gab ich zu.
Federo zuckte zusammen.
Die Tanzmistress fuhr fort: »Zu Hause würdest du bald heiraten.«
Mistress Cherlise hatte mir gesagt, dass ich die Frau eines schwitzenden Bauern geworden wäre. Ich nahm an, dass das stimmte, und es war kein Leben, das ich ersehnte. Aber was war stattdessen aus mir geworden?
Sie fuhr fort, als ob ich geantwortet hätte: »Hier in Copper Downs standest du kurz davor, die Gefährtin des Herzogs oder eines seiner Günstlinge zu werden.«
»Mit oder ohne Regel«, murmelte Federo.
»Und?«
Sie war unerbittlich. »Du hast Angst vor dieser Veränderung. Beide Geschicke sind dir verwehrt worden. Aus dem Weg, in den du hineingeboren wurdest, hat dich Federo herausgerissen. In den Mauern des Faktorhauses hat man dich für einen anderen Weg vorbereitet. Selbst unsere nächtlichen Ausflüge waren nicht viel mehr als eine Gabelung dieses Weges. Dieses Geschick hast du mit der Verstümmelung deiner Schönheit und der Ermordung Mistress Tirelles beendet. Was bleibt?«
»Angst«, murmelte ich in die Seide, die ich wieder an mich genommen hatte.
»Entscheidungsfreiheit«, sagte sie, »die du mit der Beteiligung an unserem neuen Plan wahrgenommen hast.«
Mir wurde bewusst, dass ich keine Angst davor hatte, wie es ausgehen würde. Auch meine Entscheidungen machten mir keine Angst. Da irrte sie sich. Selbst bei aller Grausamkeit hatte mich Mistress Tirelle stets zu etwas Höherem erzogen. Mir war der Rachen des Meeresungeheuers erspart geblieben. Ausdauer hatte mich beharrlich beschützt. Die bevorstehende außerordentliche Herausforderung schreckte mich nicht ab.
Jeder starb. Das war beängstigend, doch meine Furcht war größer als das. Jeder litt. Die Furcht, die ich fühlte, ging darüber hinaus.
Ich dachte eine Weile darüber nach, während ich nähte. Meine Großmutter war in ihr Leichentuch gehüllt zu ihrem Himmelsbegräbnis gegangen. Meine Seide
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