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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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wirkte beunruhigt. »Sie vermuten dich in einem der Lagerhausbezirke. Was mich nicht überrascht. Sie haben den ganzen Abend gesucht und sind dann wieder abgezogen?«
    »Sie durchsuchten die ganze Gegend. Der Trupp, den ich hier aufmarschieren hörte, schickte eine kleine Gruppe von Männern hierher.«
    »Hmm.« Er nahm seine lederne Arbeiterkappe ab und strich sich nachdenklich durchs Haar. »Ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Aber ich darf nicht allzu viele Fragen stellen. Man verdächtigt mich bereits, wenn auch nur, weil ich dich gekannt habe. Es wird nicht lange dauern, bis sie herausfinden, wie viel Kontakt die Tanzmistress mit dir hatte.«
    »Weitaus mehr als mit ihren anderen Kandidatinnen?«, fragte ich.
    »Allerdings.« Er griff nach einer der Taschen. »Aber sieh her. Ich habe Neuigkeiten und noch viel mehr.«
    Er zog einen kleinen Ballen Tussahseide heraus. Sie war einen guten Meter breit und, ausgerollt, sieben Meter lang. Und ausgesprochen schön. Ich stellte unsere Laterne auf den Boden, um den Stoff im Licht zu sehen. Es enthüllte einen kräuselnden Glanz, als ob Wasser durch die Fäden liefe. Die Farbe war Grün, eine mittlere Schattierung, die ich in dieser Beleuchtung nicht ausmachen konnte.
    »Er ist wunderschön«, sagte ich versunken.
    »Es ist so wenig, was ich dir je zurückgeben kann. Ich dachte, dass du wenigstens einen Stoff von guter Qualität haben solltest.«
    Er zeigte mir die Glöckchen. Es waren viele verschiedene Arten. »Ich konnte nirgendwo genug silberne finden«, sagte Federo entschuldigend. »Daher sind einige aus Messing oder Eisen, und manche sind größer, als ich gern gehabt hätte.«
    Aber es waren Glöckchen. Richtige Glöckchen. Jene, die ich von zu Hause kannte, waren kleine Blechkegel auf einem Stift gewesen. Sie klapperten, aber sie läuteten nicht. Einige von diesen würden rein genug klingen, um einen Chor beim Singen von Lobeshymnen zu begleiten. »Ich werde Musik wie eine Tulpa haben, wenn ich das trage«, sagte ich ihm. Das vielfache winzige Geläut gab mir ein Gefühl des Friedens.
    Federo zog eine Samtrolle mit Nadeln heraus. »Für den Fall, dass einige stumpf werden oder sich verbiegen.« Er hatte auch mehrere Stäbe, auf die Zwirnspulen aufgesteckt waren.
    Ich fädelte eine Nadel ein und nahm eines der kleinsten Glöckchen. Es erinnerte an einen kleinen silbernen Granatapfelkern und gab einen einzigen, klagenden, hellen Ton von sich, als ich es zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln ließ. Mit einem stummen Danke an meine Großmutter nähte ich das Glöckchen an eine Ecke der Seide, die wie ein grüner Strom über meinen Schoß floss.
    Federo hockte auf seinen Fersen und sah mir beim Nähen zu. Nach einer Weile fragte er: »Kann ich dir beim Nähen helfen, oder ist das etwas, das du selbst für dich tun musst?«
    Ich überlegte. Die Antwort war nicht so einfach. In meiner Erinnerung war die Glöckchenseide etwas, das eine Frau für sich selber machte. Andererseits hatte ich als kleines Kind meine Glöckchen nicht selbst angenäht, und die alte Tradition war in meinem Fall mit Füßen getreten und beendet worden.
    Jetzt zählte hauptsächlich das Ergebnis.
    Im Licht dieser Erkenntnis fiel mir die Entscheidung nicht schwer. »Ich würde mich über deine Hilfe freuen, aber dann musst du noch etwas für mich tun.« Ich suchte seinen Blick im schwachen Licht der kleinen Lampe. »Erzähle mir, wo ich herkomme. Ich erinnere mich an die Frösche und die Bananen und den Reis und den Ochsen meines Vaters, aber ich habe nie den Namen des Ortes erfahren. Und in keiner meiner Lektionen bekam ich je eine Landkarte von jenseits des Sturmmeeres zu Gesicht.«
    Er nahm eine Nadel und mühte sich eine Weile mit dem Einfädeln ab. Ich drängte ihn nicht, denn ich konnte sehen, wie er überlegte. Schließlich wählte Federo ein Glöckchen aus und beugte sich über seine Seite der Seide. Er blickte mich nicht an, als er zu sprechen begann. »Du weißt sicher, dass es allen im Granatapfelhof verboten war, über deine Herkunft zu sprechen.«
    »Was unsinnig ist. Ein Blick in mein Gesicht verrät, dass ich nirgendwo in der Nähe der Steinküste geboren wurde.«
    »Natürlich. Die Schönheit, die wir an dir schätzten … schätzen … rührt ja gerade aus diesem Umstand her. Aber die Erwähnung deines Heimatlandes würde dich an die Vergangenheit erinnern und dafür sorgen, dass du an diesen Erinnerungen festhältst.«
    »Das passte dir und der Tanzmistress wohl auch nicht

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