Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
in die Pläne«, sagte ich trocken.
»Alles zu seiner Zeit, Green.« Er sah mich kurz an und wandte sich dann wieder einem neuen Glöckchen zu. »Du kommst aus einem Land, das Selistan genannt wird. Es liegt mehr als sechshundert Knoten südwestlich von Copper Downs jenseits des Sturmmeeres.«
Selistan!
Endlich hatte ich einen Namen für meine Heimat. Sie war nicht mehr nur ein Ort der Frösche und Schlangen und Reisfelder, sondern ein Ort in der Welt mit einem Namen, der auf Landkarten stand.
»W … wo ist Selistan?«
»Ich bin nicht sicher.« Es war ihm sichtlich unangenehm. »Kalimpura ist der große Hafen, woher die meisten Waren von jenseits des Meeres kommen. Ich legte in einer Fischerstadt etwa dreißig Meilen östlich von Kalimpura an. Die Provinz heißt Bhopura, die Stadt selbst nennt sich Klein Bhopura. Allerdings weiß ich von keinem Großbhopura in der Gegend.«
»Es war ein weiter Weg von meinem Dorf nach Kleinbhopura«, bohrte ich vorsichtig weiter.
Federo lachte. Wäre seine Belustigung nicht so offensichtlich echt gewesen, hätte sie mir im Herzen weh getan. »Wir gingen etwa zwei Meilen über eine wasserlose Hügelkette, die das Flusstal, in dem du gelebt hast, von der Küste trennt, an der ich angelegt hatte.« Er lächelte mir liebevoll zu. »In der Erinnerung kommt es dir wie ein langer Weg vor, aber du warst damals sehr klein. Ich bezweifle, dass du jemals mehr als eine halbe Meile vom Haus deines Vaters entfernt warst. Heute würdest du den Weg in wenigen Stunden gehen. Es wäre gar keine Anstrengung für dich.«
Ich erinnerte mich an die enorme Entfernung. Wir gingen den ganzen Tag und hielten nur einmal zum Essen an. Er machte sich nicht über mich lustig. Er beschrieb nur meine früheste Kindheit. Jeder fängt klein an.
Ich konzentrierte mich auf das nächste Glöckchen und überlegte. Federos Schweigen war einladend, nicht verärgert oder abwehrend. Unter uns öffneten die Lagerarbeiter die großen Tore und begannen ihren Arbeitstag.
Schließlich sagte ich mit leiser Stimme: »Wo liegt der Hof meines Vaters?«
»Ich … ich weiß es nicht. Ich kann es nicht mehr sagen.« Er wirkte beschämt.
Federo verschwieg mir etwas. Ich grübelte eine Weile darüber nach. Ich wollte nicht meinen Ärger an ihm auslassen. Davon hatte ich im Übermaß. Im Augenblick war ich nachdenklich, nicht wütend. »Federo. Wie hieß mein Vater?«
Er war so tief über die Seide gebeugt, dass die Gefahr bestand, dass er sich ins Auge stach. »Ich weiß es nicht.«
»Was war mein Name?«
Er wich meinem Blick aus.
Mein Zorn wuchs. »Du hast ein Mädchen von einem Mann gekauft, dessen Namen du nicht kennst, und hast ihn nicht einmal nach dem Namen des Mädchens gefragt?«
Federo sah auf, doch sein Gesicht blieb weitgehend im Dunkeln. »Ich habe viele Dinge von vielen Men …«
»Ich bin kein Ding!«
Wir starrten uns beide stumm an, während unten eine Kiste zu Boden krachte.
»Ich weiß, dass du kein Ding bist«, zischte er, als die Geräusche und das Stimmengemurmel unten weitergingen. »Meine Ausdrucksweise tut mir leid. Aber bitte, Green, versteh doch, was ich meine.«
Ich wandte mich wieder meiner Näherei zu und brummte, dass ich wohl verstand. Aber wie war es möglich, dass er diese Dinge nicht wusste? Wie konnte mich dieser Mann wie Obst auf dem Markt kaufen, mich meiner Familie und meinem Leben entreißen und sich an nichts erinnern?
Federo fuhr fort. »Aber ich kann dir eines sagen: Es gibt dort einen Mann, der nach Familien mit Kindern von … möglichem Wert Ausschau hält.« Seine Stimme wurde fast unhörbar, als ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. »Familien mit Problemen. Kein Geld oder der Tod eines Elternteiles.«
Das war ich also! Eine Handelsware, natürlich. Ein vermitteltes Problemkind. »Ich nehme an, du hast eine Rechnung über den Kauf?«, fragte ich in gehässigstem Ton.
»Nein.« Er klang jetzt müde und traurig. »Du bist bar bezahlt worden. Ich habe nur einen Eintrag in meinem Geschäftsbuch.«
»War ich ein Schnäppchen?«
Er starrte mich lange an. Dann sagte er: »Ich möchte nicht mehr darüber reden.«
Ich wollte mit ihm streiten. Ich wollte ihn meine Wut darüber spüren lassen, dass er mir alles genommen hatte und jetzt verärgert über meine Fragen war. Federo hatte keine Skrupel, mich zu kaufen, und jetzt kehrte er einen verletzten Stolz hervor, nur um mir die Wahrheit über meine Vergangenheit vorzuenthalten.
Es war sinnlos, ihn anzugreifen. Das könnte
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