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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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darauf bestanden, dass die Außenwelt nicht in den Raum eindringen und die Konzentration des Mediums stören dürfe.
    Mrs. Burton begrüßte die Anwesenden. »Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mr. Charles Belvoir, das bekannte Medium, wird Ihnen heute Abend eine Probe seines großen Könnens geben. Er ist bereits auf dem Kontinent und in den Vereinigten Staaten aufgetreten und hat dort vor einem begeisterten Publikum seine ganz besonderen Gaben demonstriert. Ich soll in seinem Auftrag darauf hinweisen, dass er auch Séancen im kleineren Kreis abhält, bei denen er Verbindung zu den Geistern Verstorbener aufnehmen und Botschaften übermitteln kann. Wir ersuchen Sie höflich, sich die ganze Zeit über ruhig zu verhalten, um Mr. Belvoirs Vorführung nicht zu gefährden. Wenn ich Sie nun bitten dürfte, die mitgebrachten Schiefertafeln auf den Tisch zu legen und zuvor zu überprüfen, ob diese sauber und unbeschriftet sind.«
    Die sechs Anwesenden – drei Männer und drei Frauen – standen nacheinander auf und legten je eine einfache Schiefer tafel, wie Kinder sie in der Schule benutzten, auf den Tisch, an dem das Medium Platz nehmen würde. Mrs. Burton fügte eine Schachtel mit farbiger Kreide hinzu, die sie zuvor allen Anwesenden gezeigt hatte.
    Charles Belvoir warf in diesem Moment im Raum nebenan noch einen letzten Blick in den Spiegel und strich sich die schwarzen, beinahe südländisch anmutenden Haare glatt. Er war ein schmal gebauter Mann, dessen kleiner Spitzbart ihm einen leicht mephistophelischen Zug verlieh. Er griff nach einer Schiefertafel und einem Holzkasten, verließ die Garderobe und klopfte an die Tür des angrenzenden Raums. Mrs. Burton öffnete ihm und brachte die Versammelten mit einer Geste zum Schweigen.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen Mr. Charles Belvoir!«
    Die Zuschauer applaudierten höflich, und Belvoir verneigte sich in die Runde.
    Mrs. Burton führte ihn an den Tisch, wo er auf dem Stuhl Platz nahm, die Hände flach auf die Tischplatte legte und konzentriert den Kopf senkte.
    Plötzlich verbreitete sich ein schwül-orientalischer Geruch im Raum, und Tom Ashdown unterdrückte ein Grinsen. Ausgerechnet Patschuli.
    Mrs. Burton deutete noch einmal mit einer dramatischen Geste auf Belvoir und überließ ihm endgültig die Bühne, während sie selbst auf einem hochlehnigen Stuhl in der Ecke des Zimmers Platz nahm.
    Das Medium räusperte sich. »Es ist mir eine Ehre, Ihnen heute Abend mehrere Experimente präsentieren zu dürfen, die sich mit dem Tafelschreiben beschäftigen. Kraft meiner Gedanken werde ich versuchen, Ihre Fragen auf den Tafeln schriftlich zu beantworten, wobei mir diese nicht zugänglich sind oder aber von Ihnen und mir gemeinsam gehalten oder beobachtet werden.«
    Er deutete auf die Schiefertafeln, die auf dem Tisch lagen, hob eine nach der anderen hoch und zeigte sie noch einmal dem Publikum, um zu beweisen, dass sie unbeschrieben waren. »Nichts ist präpariert worden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist nur der reine Schiefer.«
    Dann deutete er auf den Holzkasten, den er mitgebracht hatte, und klappte ihn auf. Nun sahen die Zuschauer, dass es sich in Wirklichkeit nicht um einen Kasten, sondern um zwei Schiefertafeln mit hölzerner Rückseite handelte, die mit einem Scharnier und einem Schloss versehen waren und auf- und zugeklappt wie auch abgeschlossen werden konnten. Auch diese Tafeln waren unbeschrieben.
    »Meine Damen und Herren, nun sind Sie an der Reihe. Was soll der Geist notieren?«
    Tom Ashdown lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. Er war an diesem Abend hergekommen, um sich das Medium anzusehen, dem Sarah Hoskins’ Schwester so viel Vertrauen schenkte. Als er im Januar die Freunde in Oxford besuchte, hatte er auch Emma Sinclair kennengelernt, die den Tod ihres Verlobten nicht verwinden konnte. Die Begegnung mit der verzweifelten jungen Frau hatte ihn beeindruckt. Sie setzte große Hoffnungen in Charles Belvoir und sprach von nichts anderem mehr. Die Sorge ihrer Schwester und ihres Schwagers erschien ihm durchaus berechtigt. Sarah wünschte sich, Emma möge sich wieder dem Leben zuwenden und in die Zukunft schauen, doch die Zusammenkünfte mit dem Medium stießen sie immer weiter in die Vergangenheit zurück.
    Noch als er vorhin das Haus betreten hatte, waren ihm Zweifel gekommen, worauf er sich hier einließ. Er hatte keinerlei Erfahrung mit Spiritismus. Vielleicht trieb ihn ja

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