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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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seine Abneigung gegen Menschen, die Gefühle Verzweifelter ausnutzten, um Geld damit zu verdienen. Er erinnerte sich, wie beschämt er damals die Séance verlassen hatte, statt die geldgierige Frau zur Rede zu stellen und sein Geld zurückzuverlangen. Danach hatte er sich über sich selbst geärgert. Vielleicht wäre es heilsam, einem Menschen zu helfen, der in der gleichen Lage war, und dieses schändliche Treiben wenigstens in einem Fall zu beenden.
    »Ein Zitat von William Shakespeare«, sagte die Frau mit dem klugen Gesicht und dem straff zurückgesteckten Haar, die neben Tom saß. »Aus ›Wie es euch gefällt‹.«
    »Sehr wohl«, entgegnete Charles Belvoir. »Bitte kommen Sie näher an den Tisch.«
    Die Frau, die Tom auf Mitte vierzig schätzte, rückte mit ihrem Stuhl an den Tisch heran, worauf Belvoir nach den Schiefertafeln griff, die er selbst mitgebracht hatte. »Wir halten die Tafeln gemeinsam unter dem Tisch, Sie nehmen zwei Ecken, ich die beiden anderen.« Er sah sich noch einmal um. »Ich bitte um Ruhe.«
    Es dauerte einige Minuten, bis ein kratzendes Geräusch zu hören war. Tom versuchte, etwas unter dem Tisch zu erkennen, doch da die Gaslampe von oben darauf schien, lag der Bereich darunter im Dunkeln.
    Wenige Sekunden später holte Belvoir mit einer theatralischen Geste die Tafeln hervor und hielt sie der Frau hin. »Bitte lesen Sie vor.«
    »Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler«, las sie vor und hielt die Tafeln in die Höhe, damit alle sie sehen konnten.
    Ein Raunen ging durch den Raum, und Mrs. Burton applaudierte leise.
    »Das ist eindrucksvoll, Mr. Belvoir«, sagte die Frau. »Könnten Sie jetzt etwas auf meine Tafel schreiben?«
    Er zögerte kaum merklich. »Welche ist es?«
    Sie deutete darauf.
    »Gut. Wir halten sie diesmal über den Tisch und bitten um irgendeine Botschaft.«
    Die Frau und das Medium ergriffen wieder die vier Ecken und hielten die Tafel fest, während es im Raum still wurde. Alle schienen den Atem anzuhalten. Tom behielt die Tafel die ganze Zeit über im Auge, doch das Geräusch von vorhin erklang nicht mehr, und es erschienen auch keine Buchstaben auf dem grauen Schiefer.
    Schließlich ließ Belvoir die Tafel sinken und griff sich an den Kopf. »Bedauere, aber ich hatte heute einen anstrengenden Tag. Eine Beschwörung mit einem anspruchsvollen Gast, der die Verbindung zum Geist seiner Mutter über zwei Stunden aufrechterhalten wollte. Ich bitte um Verzeihung, aber Sie werden verstehen, dass die Erfolge vom Zustand des Mediums und der Bereitwilligkeit der Geisterwelt abhängen.«
    Tom war schockiert über so viel Unverfrorenheit, während Mrs. Burton und die vier Gäste neben ihm ebenso verständnisvoll wie beeindruckt nickten. Nur die Frau am Tisch hob skeptisch die Augenbrauen.
    Es folgten weitere Darbietungen, bei denen die zusammengeklappte Tafel von innen beschrieben wurde, nachdem Belvoir farbige Kreiden hineingelegt hatte. Insgesamt übertrafen die Kunststücke – denn nichts anderes waren sie – kaum die Leistungen eines Magiers im Varieté, der die Zuschauer mit seinen Illusionen unterhielt. Tom versuchte, die Tafeln stets im Auge zu behalten, doch die geschickten Hände Belvoirs, seine ablenkenden Bemerkungen und die Schatten im Zimmer und unter dem Tisch trugen dazu bei, die Konzentration immer wieder kurz zu stören. Er hätte nicht sagen können, wie genau der Mann das alles vollbrachte, aber eine Verbindung zu wie auch immer gearteten Geistern war das Letzte, was Tom ihm zugetraut hätte.
    Sarah Hoskins hatte also durchaus recht, wenn sie um die geistige Gesundheit ihrer Schwester fürchtete. Genau das würde er ihr sagen, wenn er sie das nächste Mal sah. Emma Sinclair durfte keinesfalls länger mit diesem Mann Umgang pflegen.
    Als der Abend beendet war, spendete er pflichtschuldig Applaus, vermochte aber ein spöttisches Lächeln nicht zu unterdrücken.
    Die Frau, die am Tisch gesessen hatte, bemerkte es und lächelte. »Sie sind nicht überzeugt, Sir?«
    Er schüttelte den Kopf, während sie in den Flur traten und sich Hüte und Mäntel geben ließen. »Ganz und gar nicht. Und Sie?«
    »Lassen Sie uns nach draußen gehen«, sagte sie, nachdem er ihr in den Mantel geholfen hatte.
    Es war ein angenehm milder Abend mit einer ersten Verheißung von Frühling. Sie gingen ein Stück nebeneinander her, dann blieb die Frau stehen und reichte ihm die Hand. »Ich bin Mrs. Eleanor Sidgwick.«
    »Thomas Ashdown, sehr

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