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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Interesse. Er hatte helle Augen, die viel jünger wirkten als sein übriges Gesicht.
    »Verzeihen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe, Miss. Jones, der Wildhüter von Norbury Park.« Er deutete vage in die Richtung, aus der er gekommen war, und Charlotte erinnerte sich an das Herrenhaus, das sie am Tag ihrer Ankunft von Weitem auf dem Hügelkamm gesehen hatte.
    »Das macht nichts. Es war vermessen, davon auszugehen, dass ich ganz allein in diesem Wald bin.«
    Er musterte sie mit ernster Miene. »Es kommt nicht oft vor, dass Damen hier ohne Begleitung spazieren gehen.«
    Sie deutete entschuldigend nach hinten. »Ich komme von Chalk Hill.«
    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ach, die Gouvernante der kleinen Miss Emily?«
    Sie nickte verwundert. »Ich wusste nicht, dass sich meine Ankunft herumgesprochen hat.«
    »Hier kennen sich die Leute«, erwiderte er freundlich. »Da bleibt nicht viel verborgen.«
    Und ob, dachte sie bei sich. »Sie kennen Emily Clayworth?«
    »Gewiss. Sie ist früher mit ihrer Mutter hier spazieren gegangen – wenn sie gesund genug war. Die Kleine war häufig krank, das wusste jeder in der Gegend. Sie mochte diesen Wald sehr.«
    Aber ich mag ihn nicht, hatte Emily vor Kurzem gesagt. Hatte der Tod ihrer Mutter die Freude daran zerstört?
    »Sie sagten vorhin, hier hätten sich früher Druiden versammelt«, bemerkte Charlotte in fragendem Ton.
    Der Wildhüter lächelte, als wäre er ein Lehrer und der Wald sein Lieblingsthema. »Sicher. Diese Bäume gehören zu den ältesten in ganz Großbritannien. Das Domesday Book ist fast tausend Jahre alt, und sie werden darin schon erwähnt. Was nicht heißt, dass sie damals jung waren … Niemand kann sagen, was diese Bäume alles erlebt haben. Jedenfalls heißt dieser Teil des Waldes bis heute Druid’s Grove.«
    »Haben Sie Emily auch davon erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht viel miteinander gesprochen. Ihre Mutter hat sie sehr behütet, vor allem auch vor Fremden. Ich kann mich aber erinnern, dass ich ihr einmal ein Eichhörnchen gezeigt habe.«
    »Dann kannten Sie also auch Lady Ellen Clayworth?«
    »Ja.« Der Wildhüter zögerte. »Nie werde ich vergessen, wie ich zu Sir Andrew gehen und ihm den Schal geben musste.«
    » Sie haben ihn gefunden?«
    »Ich gehörte zu dem Suchtrupp, der den Fluss und das Ufer abgesucht hat. Ich habe ihn ein Stück weiter flussabwärts entdeckt. Er hatte sich an einem Ast verfangen.«
    Charlotte schaute zu Boden und scharrte mit der Schuhspitze im feuchten Laub.
    »Es muss ein furchtbarer Schlag für Sir Andrew gewesen sein.«
    Der Mann fuhr sich mit der Hand über den Bart und schaute sie nachdenklich an. »Ja, das war es wohl. Es heißt, er habe seine Frau nie mehr erwähnt und nicht geduldet, dass jemand anders es in seiner Gegenwart tut. Ich hoffe, der Familie geht es gut. Vielleicht kommen Sie ja einmal mit dem Mädchen her, wenn es sie nicht …« Er verstummte.
    Charlotte nickte. Dann fiel ihr etwas ein. »Kennen Sie Tilly Burke?«
    »Wer kennt die alte Tilly nicht? Schade um die Frau, sie hat irgendwann den Verstand verloren. War früher bei den Hamiltons angestellt, der Familie von Lady Ellen.«
    »Wissen Sie, weshalb sie – krank geworden ist?«
    Er zuckte mit den Schultern und sah sich um, als könnte jemand sie belauschen. »Nun, angeblich hat sie es nicht verwunden, dass sie nach der Hochzeit von Lady Ellen den Haushalt verlassen musste. Sie stand der jungen Dame sehr nahe. Angeblich wollte Sir Andrew sie nicht im Haus haben. Aber das sind alles Gerüchte, Miss«, fügte er ein wenig verlegen hinzu. »Was man sich so erzählt.« Er legte eine Pause ein. »Sie sollten nicht auf die alte Tilly hören, falls sie Ihnen über den Weg läuft. Sie wirft Dinge durcheinander und weiß nicht mehr, was wirklich ist und was nur in ihrem Kopf passiert.« Dann tippte er sich an die Tweedmütze. »Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.«
    »Danke. Eins noch: Können Sie mir einen Rückweg empfehlen? Ich gehe ungern zweimal denselben Weg.«
    Er beschrieb ihr, wie sie sich links halten und über Felder und Wiesen in einem weiten Bogen zur Chapel Lane gelangen konnte. »Von dort aus finden Sie zurück in den Ort.«
    Sie bedankte sich und sah ihm nach, bis er im Wald verschwunden war.
    Als Charlotte zurückkehrte, bemerkte sie, dass die Kalesche in der Remise stand. Wilkins war dabei, den Wagen mit einem Tuch zu polieren, und grüßte, als sie vorbeiging.
    Susan öffnete ihr die Tür und

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