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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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der dich auch kennt.«
    Emily lächelte. »Ja, der ist nett. Er hat mir mal ein Eichhörnchen gezeigt.«
    »Er hat sich erkundigt, wie es dir geht, und würde sich freuen, dich wieder einmal im Wald zu sehen. Ich war dort, wo die uralten Bäume stehen, unter denen sich früher die Druiden versammelt haben. Vielleicht können wir ein Buch darüber bestellen und die Geschichte nachlesen.«
    Sie beobachtete, wie Emily die Zungenspitze zwischen die Lippen klemmte und die Nadel mühsam durch den Stoff stach. Das Kind war einfach nicht zum Sticken geboren, das war ihr mittlerweile klar. Dennoch mühte sie sich redlich.
    »Es ist in der Nähe vom Fluss«, sagte sie schließlich, als wäre dies eine angemessene Antwort auf Charlottes Worte.
    »Ich weiß. Ich bin kurz am Ufer gewesen.«
    Emily schrie auf und ließ die Nadel fallen. »Ich habe mich gestochen!« Sie erhob sich und warf den Stickrahmen ungehalten auf den Tisch. »Ich kann das einfach nicht.«
    Charlotte seufzte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, da sie ahnte, was das Mädchen abgelenkt hatte.
    »Ich mache dir einen Vorschlag: Wenn du das Bild für deinen Vater fertig hast, setzen wir mit dem Sticken eine Zeit lang aus. Es gibt immer Dinge, die man besser kann als andere. Und du bist nun einmal im Zeichnen begabt.«
    Doch Emily hatte gar nicht zugehört. »Warum gehen Sie in den Wald und an den Fluss? Was haben Sie da gesucht?«
    Es waren nicht die Worte, sondern der heftige Klang von Emi lys Stimme, der Charlotte einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Ich wollte mir den Wald einmal ansehen, schließlich liegt er genau hinter dem Haus. Und weil du ihn nicht magst, bin ich an meinem freien Morgen dorthin gegangen.« Plötzlich kam es ihr vor, als müsste sie sich vor dem Kind rechtfertigen. Emily wirkte geradezu aggressiv. Charlotte empfand große Dankbarkeit für Mr. Ashdowns Besuch, denn sie spürte, dass das Mädchen unter der Last zu zerbrechen drohte.
    Emily atmete tief durch, setzte sich und griff wieder zum Stickrahmen.
    Charlotte reichte ihr ein Taschentuch. »Blutet es?«
    »Ein bisschen.«
    »Gut, dann arbeitest du morgen weiter.« Sie zögerte. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht darüber sprechen sollen.«
    »Erzählen Sie mir eine Geschichte, Fräulein Pauly?«, bat Emily unvermittelt. Vielleicht war es als versöhnliche Geste gedacht.
    »Worüber denn? Willst du etwas Lustiges hören?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lieber etwas Unheimliches.«
    Charlotte schaute sie verwundert an. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
    Der Blick des Mädchens war herausfordernd. »Mir ist es lieber, wenn ich eine unheimliche Geschichte höre, solange ich wach bin, als davon zu träumen. Ich will etwas Unheimliches über einen Wald hören.«
    Charlotte kam sich ertappt vor. Erst vor Kurzem hatte sie an das Märchen vom kalten Herzen gedacht, das im Schwarzwald spielte. Natürlich war die Geschichte stellenweise grausam. Immerhin erschlug Peter Munk seine Frau Lisbeth, auch wenn sie später wieder lebendig wurde. Andererseits war Emily in einer sonderbaren Stimmung. Charlotte beschloss, das Wagnis einzugehen.
    »Na schön, ich kenne eine Geschichte, wie du sie hören möchtest. Du räumst jetzt deine Handarbeitssachen fort, und dann erzähle ich dir die Geschichte in meinem Zimmer. Einverstanden?«
    Emily nickte eifrig. »Ja, das wäre schön. Es war früher Mamas Zimmer.«
    »Ich weiß.«
    Kurze Zeit später stiegen sie die Treppe hinauf. Drinnen schob Charlotte zwei Sessel nebeneinander, schloss die Vorhänge, entzündete das Kaminfeuer und holte eine Decke, die sie über Emily breitete.
    Dann begann sie zu erzählen, aus dem Gedächtnis, nicht in den Worten Wilhelm Hauffs, sondern so, wie sie das Märchen von ihrer eigenen Mutter gehört hatte.
    Sie behielt Emily im Auge, die manchmal zusammenzuckte, wenn sie an eine besonders düstere Stelle gelangte, oder Zwischenfragen nach dem Glasmännlein und dem Holländer-Michel stellte. »Gibt es den Wald wirklich?«
    Charlotte nickte. »Ja, aber ich bin noch nie dort gewesen. Er ist weit entfernt von Berlin.«
    Emily gab ihr ein Zeichen, mit der Erzählung fortzufahren.
    Als Charlotte geendet hatte, schaute sie ihre Schülerin erwartungsvoll an. »Und, hat es dir gefallen?«
    »Ja.« Das Gesicht des Mädchens war vor Aufregung gerötet. »Ich bin schon froh, dass der Kohlenmunkpeter« – sie stolperte über das schwierige deutsche Wort – »gerettet worden ist. Sonst wäre das eine ganz traurige

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