Der verbotene Fluss
aufgesprungen und hielt sie ihr mit einer angedeuteten Verbeugung auf. Sie meinte, Sir Andrews missbilligenden Blick im Rücken zu spüren, doch als sie allein im Flur stand, umspielte ein Lächeln ihre Lippen.
Ein Gedanke ließ Charlotte keine Ruhe, und er hatte ausnahmsweise nichts mit Emily, ihrer Mutter oder von Druiden bevölkerten Wäldern zu tun. Thomas Ashdown. Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, wenngleich sie wusste, dass sie ihm noch nie begegnet war. Sie spürte noch immer seinen Blick, die eindringlichen dunklen Augen, hörte die tiefe Stimme. Während sie mit Emily erst Dame spielte und danach Puppenkleider sortierte, ging ihr der Name nicht aus dem Kopf. Und auch nicht, als sie zum Tee gerufen wurden und sich in den Salon begaben, wo ihr Schützling mit dem Gast bekannt gemacht wurde.
Emily löste das Geheimnis für sie.
Nachdem sie am festlich gedeckten Teetisch Platz genommen, Tee in den Tassen und scones auf den Tellern hatten, schaute das Mädchen den Besucher neugierig an.
»Was arbeiten Sie denn, bitte? Sind Sie auch im Parlament wie Papa?«
Mr. Ashdown lachte und legte seine Kuchengabel hin. »Nein, so wichtig bin ich nicht. Ich schreibe für Zeitungen.«
»Was schreiben Sie? Geschichten?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich gehe ins Theater, sehe mir ein Stück an und schreibe danach, ob es mir gefallen hat. Oder auch nicht. Das ist manchmal sogar lustiger.«
ThAsh.
Natürlich.
24
Er würde sich an die Gouvernante halten, dachte Tom Ashdown, als er wieder mit Sir Andrew allein war. Er hatte während des Gesprächs und auch danach beim Tee eine starke Anspannung bei ihr gespürt, die sie sorgsam zu verbergen suchte. Sie hatte nicht viel gesagt, doch ihr Blick ließ ahnen, dass sie ihm unter vier Augen interessante Dinge zu erzählen hatte.
Sir Andrew Clayworth hatte mehrfach betont, er lege größten Wert auf Diskretion, da er um seinen politischen Ruf fürchtete. Er gab sich verbindlich, wirkte aber zu glatt für Toms Geschmack, und Tom fragte sich, wie offen er seinen Fragen begegnen würde. Und wie er sich entscheiden würde, wenn er zwischen der Wahrung seines Rufes und dem Wohl seiner Tochter wählen müsste.
»Nun, wie Sie sich vorstellen können, werden unsere Gespräche einige Zeit beanspruchen.«
»Gewiss, Mr. Ashdown, aber Sie werden hoffentlich verstehen, dass ich mich nicht ständig zu Ihrer Verfügung halten kann. Ich habe zahlreiche Verpflichtungen, denen ich nachkommen muss und die mich zu regelmäßigen Aufenthalten in London zwingen.«
Tom zog kaum merklich eine Augenbraue hoch. Die Abwehr kam früh, damit hatte er nicht gerechnet. Dabei hatte der Mann doch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seine Tochter untersuchen zu lassen! Nun aber wich er zurück, noch bevor Tom die erste Frage gestellt hatte.
»Selbstverständlich. Daher möchte ich gleich beginnen, wenn es Ihnen recht ist.«
Sir Andrew bedeutete ihm mit einer Geste fortzufahren.
Tom holte ein Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche seines Gehrocks. »Wenn Sie gestatten, mache ich mir zu wichtigen Punkten Notizen.«
Er hielt inne und überlegte. Eigentlich hatte er zunächst etwas über Emilys Geburt und frühe Kindheit in Erfahrungen bringen wollen, entschied sich jetzt aber anders.
»Erklären Sie mir doch bitte, was in den letzten Wochen mit Ihrer Tochter geschehen ist.«
»Ist der Herr ein Freund von Papa?«, fragte Emily, als sie mit Charlotte im Schulzimmer über ihrer Stickarbeit saß.
Charlotte erschrak ein wenig, da sie gar nicht mit Sir Andrew abgesprochen hatte, wie sie diesen Besuch Emily gegenüber erklären sollte. Also griff sie zu einer Notlüge.
»Mr. Ashdown ist ein Bekannter deines Vaters. Er schreibt ein Buch über diese Gegend und möchte sich gern mit Leuten unterhalten, die hier wohnen.«
Emily sah sie prüfend an. »Schreibt er über die Ruine und Box Hill und die Wälder?«
Charlotte nickte. »Möglicherweise. Vielleicht wird er dir auch einige Fragen stellen. Du kannst ihm ganz ehrlich antworten und alles erzählen, was er wissen möchte.«
»Natürlich«, sagte Emily, die sich für die Idee erwärmte. »Wir können ja mit dem Wagen umherfahren und ihm die Gegend zeigen, so wie wir es bei Ihnen gemacht haben.«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Charlotte zu.
»Wo waren Sie eigentlich heute Morgen?«, fragte Emily.
»Ich bin ein bisschen im Wald spazieren gegangen«, erwiderte Charlotte beiläufig. »Dort habe ich einen Wildhüter namens Jones getroffen,
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