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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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irgendeine andere zu heiraten, er hat nämlich schon eine Frau.«
    Alice hatte Miss Everett angefleht, sie möge ihr gestatten, Mr. Greely abzuweisen und auf eine bessere Partie zu hoffen, doch Miss Everett hatte bloß erwidert: »Nein, Alice. In dieser Angelegenheit hast du keine Wahl.«
    Als Alice wieder zu heulen begann, setzte sich Cadet zu ihr und lehnte ihren Kopf an seine Brust. Mir warf er einen Blick zu, der sagte: Du wirst hier nicht gebraucht . Er legte den Arm um Alice’ Schulter und meinte noch einmal: »Es wird alles gut.«
    Ich fand es unerträglich, dass er ihr derart viel Aufmerksamkeit schenkte. Bei mir hatten Tränen immer nur zu einem nassen Gesicht und Vorwürfen von Mama geführt. Ich wusste, ich würde nie wie Alice. Ich würde nie an ihre Lieblichkeit und Anmut heranreichen. Ihre blinde Hingabe an alles Helle und Schöne – selbst angesichts dessen, was auf sie, auf uns, zukam – war mir fremd. Eine derartige Leichtigkeit und Güte besaßen wohl nur die Mädchen, die in eine richtige Familie und ein schönes Heim hineingeboren wurden, die Vater und Mutter hatten und von beiden geliebt wurden.
    Die Frauen auf den Karten, die ich in meinem Rock verbarg, waren so gar nicht wie Alice, und doch fragten die Herren ständig nach ihnen, schauten sie an und sprachen über sie, als würden sie die Damen persönlich kennen. Und all diese Frauen, ob sie sich keusch oder eigensinnig, schüchtern oder aufreizend gaben, hatten den gleichen wissenden Blick. Dieses Selbstbewusstsein, danach strebte ich.
    Ich hatte heimlich einige Karten mitgehen lassen (unter anderem Lady Godiva und die zirkassische Schönheit) und sie an die Wand in unserem Zimmer geheftet, damit ihre Macht auf mich überging.
    Abends saß ich am Schminktisch und schaute zwischen den Karten und meinem Spiegelbild hin und her. Ich neigte den Kopf, senkte den Blick und verzog die Lippen zu Lotta Crabtrees Schmollmund. Ihr Ausdruck war der provozierendste, und nach einiger Übung gelang auch mir das listig gespitzte Mündchen. Ich legte nun jeden Morgen etwas Rouge auf und tupfte mir einige Tropfen von Maes Neroliöl hinter die Ohren. Ich band die Schleife meines Huts weiter rechts, so wie Rose, und nicht mehr brav und ordentlich unter dem Kinn, so wie Alice.
    Ich glaubte, alles würde leichter – das Stehen in Mr. Dinks Museum wie auch das Niederlegen mit einem Mann –, wenn ich den Frauen auf den Karten ähnlicher würde. Ada Fenwick – schön, verlockend, Herrin über das eigene Los.
    Cadets Reaktion auf meine Bemühungen versetzte mir allerdings einen weiteren Stich ins Herz. Eines Nachmittags ging ich mit Alice an ihm vorüber, und zwar so dicht, dass er mein Parfum riechen musste. Als er kein Wort sprach, lächelte ich und sagte: »Einen schönen Nachmittag, Cadet.«
    Da er nicht antwortete, wiederholte ich meinen Gruß. »Einen schönen Nachmittag …«
    Â»Oh, tut mir leid, ich dachte, das sei Mae«, meinte er und warf mir einen gehässigen Blick zu.
    Alice wartete, bis er fort war. Dann sagte sie: »Was hat er denn bloß plötzlich? Er ist doch sonst so ein Gentleman.«
    Â»Tja, sonst«, erwiderte ich und begriff in diesem Moment, dass Cadet seine Gefühle für mich, welcher Art sie auch gewesen sein mochten, auf Alice übertragen hatte.
    Â»Magst du ihn nicht mehr?«, fragte sie.
    Sie hatte das Taschentuch, das Cadet ihr gegeben hatte, um ihre Tränen wegen Mr. Greely zu trocknen, unter ihr Kissen gesteckt. Und sie hatte, soweit ich wusste, nicht vor, es ihm wiederzugeben.
    Â»Nein«, antwortete ich und nahm ihren Arm. »Außerdem hat er eine andere im Sinn.«
    Sie nickte errötend.
    Miss Everett hingegen pries meine Verwandlung. »Deine Zeit bei Mr. Dink hat Wunder bewirkt«, sagte sie, reichte mir ein kleines Päckchen, das mit einem Band verschnürt war, und erklärte: »Dies sind meine Visitenkarten. Du solltest ein paar mit ins Museum nehmen. Verteile sie klug.«
    Miss Emma Everett
East Houston Nr. 73
Mädchenpensionat
    Sie wies mich an, vor allem auf die Qualität des Anzugs, die Reinlichkeit der Schuhe und den Verschleiß am Hut zu achten. »Die Männer, die in Mr. Dinks Lobby treten, mögen das eine oder andere Souvenir aus dem Museum suchen, vielleicht suchen sie aber auch ein Mädchen. Wenn ein Mann aus der Menge heraussticht, dann gib ihm meine

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