Der verbotene Garten
Abend alles gutgeht, wird er bestimmt ein Angebot machen.«
Während sie mir Rosen ins Haar steckte, gab sie mir genaue Instruktionen, wie ich mich zu verhalten hätte, da er sich in der Ãffentlichkeit anders als hier im Salon benehmen würde. »Heute darfst du ausschlieÃlich Werben und Tändelei erwarten.«
Alice und Mae sollten in Begleitung von Mr. Greely und Mr. Harris mit uns in der Loge sitzen. Miss Everett schärfte uns ein, bei unseren Herren jeweils den uns eigenen Weg zu beschreiten. »Mae ist, wie wir alle wissen, manchmal recht forsch, doch Mr. Harris hofft sogar, dass sie dieses Mal noch frecher rangeht. Alice wird selbstverständlich mit ihrer Lieblichkeit überzeugen, und du, meine Liebe, musst auf dem Kurs bleiben, der für dich und Mr. Wentworth der richtige ist.«
»Sind Sie sicher, dass er nicht weitermachen will, womit er im Salon begonnen hat?«
»Absolut, meine Liebe. Heute erwartet er nur eines, einen vergnüglichen Abend. Er ist eben ein perfekter Gentleman.«
Für Mae stand der Ausgang des Abends fest â dies würde ihre erste Nacht mit einem Mann. Mr. Harris hatte endlich ein groÃzügiges Angebot für ihre Jungfräulichkeit gemacht, und Miss Everett hatte nur zu gern akzeptiert. Kaum hatte Rose das Haus verlassen, war das Zimmer auch schon von Miss Everett mit neuen Blumen und neuem Bettzeug ausgestattet worden, und Mae hatte ihre persönlichen Dinge dorthin gebracht. Sie hatte ihre edelsten Bänder auf den Schminktisch gelegt und ihren liebsten Seidenschal über den Stuhl drapiert, einen himmelblauen, der zu ihrem roten Haar fantastisch aussah. Dr. Sadie wartete im Haus auf unsere Rückkehr. Sobald alles vollbracht und Mr. Harris gegangen war, würde sie nach Mae sehen und ihr bei den notwendigen Handlungen, die auf eine Deflorierung folgten, zur Seite stehen.
Auf dem Weg nach drauÃen lächelte Mae Miss Everett gewinnend an und sagte: »Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
Miss Everett nickte nur und erwiderte: »Das erwarte ich auch.«
Cadet begleitete uns, und wieder wurde er von den Rüschen und Volants unserer Kleider bis an den Rand der Kutsche gedrängt, doch diesmal saà er neben Alice. Ich konnte kaum mitansehen, wie er sie umhegte.
Alice machte einen überwältigenden Eindruck, der Schnitt und die Farbe ihrer Robe waren weit schöner als bei Mae und mir. Das Kleid hatte Rose gehört und bestand aus zahllosen Reihen elfenbeinfarbener französischer Spitze. Der Unterschied zu ihrem Kleid war so groÃ, dass Mae geschmollt und Alice angebettelt hatte zu tauschen. Miss Everett hatte dem Gequengel ein Ende gesetzt. »Alice steht die Farbe besser.« Das hatte Mae ohne Widerspruch hingenommen, doch während der Fahrt zum Theater schwieg sie beleidigt.
Mr. Wentworth traf als Erster in unserer Loge ein.
»Was für ein entzückendes Kleid«, bemerkte er, nachdem wir uns nebeneinandergesetzt hatten.
»Danke schön«, sagte ich und legte eine Hand an das Medaillon, prüfte, ob es noch sicher an seinem Bändchen hing.
»Können Sie auch gut genug sehen?«, fragte er mit eindringlichem Blick.
»Ja«, erwiderte ich. Er freute sich doch hoffentlich, dass ich sein Geschenk um meinen Hals trug.
Als mein bloÃer Arm seinen Ãrmel berührte, fasste er das als Einladung auf, seine Hand in meine zu legen. Augenblicklich zog ich meine Hand zurück und faltete die Hände im SchoÃ. Meine Nerven hatten mir einen Streich gespielt. Einen kurzen Moment lang hatte ich mir vorgestellt, seine Frau würde uns von einer anderen Loge aus beobachten und sich in ihrem Wahn auf mich stürzen. Doch beim Anblick von Mr. Wentworths gelassener Miene schob ich meine Angst beiseite.
In dem Stück, das wir zu sehen bekamen, traten die brünette Suzie Lowe und die blonde Kitty Swift auf, die es ebenfalls als Carte de visite gab. Sie spielten Schwestern, die denselben Mann liebten. Es war ein blutiges Melodram, von dem sich das Publikum heftig mitreiÃen lieà â es zischte und buhte die Bösen hemmungslos aus, und immer wieder rief jemand aus vollem Halse dazwischen: »Papperlapapp!«
Kitty beobachtete Suzie schlieÃlich beim Tändeln mit Tom, dem fraglichen Herrn, Farmer vom Schlage eines Gentlemans. Die arme Kitty musste, hinter einem Heustapel versteckt, zuschauen, wie Suzie ihrem Geliebten ein Ständchen brachte.
In der dunklen Loge
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