Der verbotene Garten
spürte ich Mr. Wentworths Schulter an meiner und hörte seinen heftigen Atem, während Suzie Lowe von verbotenen Küssen und Toms süÃer Umarmung sang. Und als sich am Ende der Vorhang schloss, lag eine groÃe Sehnsucht in seinem Blick.
Ich begriff sehr wohl, dass sein Verlangen nach mir vor allem vom Reiz des Verbotenen abhing.
In der Pause gelang es Mae, sich gleich in der Empfangshalle von Mr. Harris zu lösen. Ich entdeckte sie nahe der Bar, wo sie mit zwei jungen Männern sprach. Der eine war ziemlich sicher der Gentleman, mit dem sie seinerzeit in der PferdestraÃenbahn geflirtet hatte. Alice stand bei ihr; Mr. Greely war nirgends zu sehen.
Jedes Mal, wenn Alice über eine Bemerkung der jungen Männer lachte, fasste Mae sie am Arm wie eine liebste Freundin. Nach dem Drama um das Kleid war das eine erstaunliche Wendung, denn Mae lieà sich sonst viel Zeit, wenn sie erst einmal eingeschnappt war.
Als die beiden in den Waschraum der Damen entschwanden, entschuldigte ich mich bei Mr. Wentworth und ging ihnen nach.
Alice eilte mir sofort entgegen. Ich hatte wegen Mr. Wentworth nicht auf sie achten können, doch sie hatte wohl während der ganzen Vorstellung Mr. Greelys Annäherungsversuche höflich abwehren müssen.
»Anfangs hat er mich ja nur âºSüÃeâ¹ und âºLiebchenâ¹ genannt«, klagte sie, »doch dann hat er meine Hand zwischen seine Beine gelegt.«
Mae lachte über ihr entsetztes Gesicht. »Wenn er das Interesse an dir verlieren soll, musst du es mir nachtun und frech werden«, zog sie Alice auf. »Dein prüdes Gehabe macht Mr. Greely wahnsinnig und zieht ihn erst recht an.«
»Das war kein Gehabe«, widersprach Alice. »Ich empfinde nun einmal nicht das Gleiche für ihn.«
Die Wangen gerötet von der Hitze im Raum und dem Glas Champagner, das Mae ihr eingeflöÃt hatte, erzählte mir Alice, dass sie eben den attraktiven jungen Angestellten kennengelernt habe, wegen dem sich Mae nachts in den Tanzpalast geschlichen hatte.
Mae warf ein: »Und sein Freund, Mr. Samuels, hat sich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Alice.«
Alice errötete bei Maes Worten noch stärker. Natürlich gefiel es ihr, wenn ihr ein Mann Aufmerksamkeit und Zuneigung schenkte, ohne zu wissen, was sie war. »Die beiden möchten, dass Mae und ich mit in den Tanzpalast kommen ⦠Nur eine kleine Weile.«
Ich sah sie missbilligend an und schüttelte den Kopf.
Darauf entgegnete Alice: »Im Theater ist es so voll und stickig, und Mae meint, wir könnten mühelos vor dem letzten Akt wieder hier sein. Der Tanzpalast liegt bloà wenige Häuser entfernt.«
»Du hast doch selbstverständlich abgelehnt?«
Alice nahm eine Hand vor den Mund und kicherte. »Mae sagt, ich sollte das einmal erleben, bevor sich alles verändert. Bevor Mr. Greely entscheidet, dass ich die Seine werden soll, und sie sich Mr. Harris hingeben muss.«
»Pscht«, flüsterte Mae hinter ihrem Handschuh. »Du verrätst aber auch alles.«
Alice machte einen Schmollmund. »Ada petzt nicht.« Sie sah mich mit dem unschuldigen Blick eines Kindes an. »Das wirst du doch nicht, oder?«
»Wir bleiben nicht lang«, sagte Mae, ohne meine Antwort abzuwarten. »Unsere Verehrer werden kaum merken, dass wir zu spät sind, versprochen.«
Alice hatte Mae immer zurechtgewiesen, wenn sie sich davonstahl, doch auch Alice war durch unser Zimmer gewirbelt und hatte davon geträumt, in den Armen eines Gentlemans über das Parkett zu schweben. Sie hatte sich einen Federfächer vor das Gesicht gehalten, war anmutig an mir vorübergeglitten und hatte gesagt: »Ist das ein Abend. Ganz wundervoll, nicht wahr?«
Als die Glocke zum zweiten Teil rief, wandte sich Mae an mich: »Sag einfach, Alice habe sich ein wenig unpässlich gefühlt, und ich sei bei ihr geblieben. Beim nächsten Mal tu ich das Gleiche für dich, das schwör ich.«
»Bitte«, flehte Alice.
»Dann also bis gleich«, sagte ich und überlieà sie Mae.
Mr. Wentworth reichte mir auf dem Rückweg in die Loge den Arm.
Falls er dich erwählt, darfst du dich sehr glücklich schätzen. Cadet, der seinen Posten vor der Loge wieder eingenommen hatte, zog mich beiseite. »Wo ist Alice?«
»Bei Mae«, antwortete ich, um nicht zu lügen.
»Verstehe«, sagte er. »Ich gehe zurück in den Empfangsraum
Weitere Kostenlose Bücher