Der verbotene Garten
ihrem Namen, und so hatte sie Martha kurzerhand in ihren Geburtsort umbenannt. »Missouri passt zu mir«, erwiderte sie auf meine Frage, ob ihr das denn nichts ausgemacht habe. »Martha klingt nach Haushälterin und verstaubter Präsidentengattin.«
Als wir uns dem Salon näherten, rückte Cadet noch letzte Möbel in die Mitte des Raums, um uns einen Weg für unsere Ãbungen zu bahnen. Beim Hinausgehen streifte sein Arm meine Schulter.
»Wenn ein Gentleman dir nicht den Vortritt lässt, musst du ihm sein Fehlverhalten deutlich machen«, sagte Missouri und warf Cadet einen verächtlichen Blick nach. »Nächstes Mal bleibst du vor der Tür stehen und wartest, bis er durchgegangen ist. Sollte er sich nicht entschuldigen, ist er deine Zeit nicht wert.«
Mir hatte der Vorfall nichts ausgemacht, selbst wenn es ein Versehen war. Meine Wangen glühten nicht nur vor Verlegenheit. In meinen Augen hatte Cadet es sehr richtig gemacht.
Obwohl Mae und Alice die Kunst des Schreitens in einem solchen Aufzug schon beherrschten, wurden auch sie in den Salon gebeten, als Vorbild und Begleitung. Missouri führte sie herein und verkündete: »Wir werden zuerst das Flanieren üben. Mae und Alice, Seite an Seite, Ada im Gefolge.«
Ich gab mir groÃe Mühe, doch es war schwer, mich ihrem gemessenen Schritt anzupassen. Ich hielt zu wenig Abstand und trat Mae von hinten auf den Rock.
»Zwei Mal sollte reichen, oder?«, murrte sie, als es zum dritten Mal geschah.
»Es tut mir leid, Mae«, entschuldigte ich mich.
Sie wandte sich nach vorn und promenierte neben Alice her, das Kinn gereckt.
Als ich mich wieder in Bewegung setzte, überfiel mich ein nervöses Gelächter. Vor meinem geistigen Auge spielte sich pausenlos ab, wie Maes stolzer Gang durch meine Ungeschicklichkeit zu einem so abrupten Halt gezwungen wurde.
Auch Alice bekam einen Kicheranfall. Wir mussten stehenbleiben und uns die Seiten halten, während Mae unbeirrt ihre Runden schritt. Aus Angst, dass ich andernfalls tagelang durch das Haus spazieren müsste, hatte ich mir wirklich Mühe geben wollen, doch Maes arrogantes Gebaren bei einer so simplen Aufgabe hatte eine Komödie daraus gemacht.
»Vielleicht möchtest du uns zeigen, wie man mit einem Eimerchen auf dem Kopf geht, Mae?«, forderte Missouri in einem Versuch, die Aufmerksamkeit wieder auf den Unterricht zu lenken.
»Sehr gern«, erwiderte Mae.
Auf dem Tisch warteten schon drei Eimerchen, so groà wie die Krüge, in denen Mr. Bartz sein Bier ausschenkte, jedes zur Hälfte mit Wasser gefüllt.
Mae warf Alice und mir einen giftigen Blick zu, nahm eines der GefäÃe und stellte es sich auf den Kopf. Als sie die Hände löste und sich in Bewegung setzte, betrat Miss Everett das Zimmer.
»Alice, tu es bitte Mae gleich«, sagte sie und lieà sich neben Missouri auf eine Polsterbank nieder.
Mae flüsterte mir im Vorübergehen zu, ihr Eimerchen zitterte: »So macht man das.«
Jetzt war Alice an der Reihe, sie ging langsamer und behutsamer als Mae, und das Eimerchen blieb still an seinem Platz.
»Ja, so macht man das«, sagte Miss Everett an mich gewandt.
In der Chrystie Street hatte es eine Frau gegeben, die mit einem Wäschekorb oder Eimer voller Seifenlauge auf dem Kopf tanzen konnte. Sie nannte sich Aunt Chickory und war Sklavin in Georgia gewesen. Ihre Haut war so dunkel wie eine geröstete Nuss. Jeden Morgen auf dem Weg zum Hinterhof tanzte sie singend durch die matschige, kotige Gasse: »Iâm gonna take the cake. Masterâs missyâs gonna say Iâm the best.«
Eines Morgens hatte ich sie wohl zu neugierig angeschaut, denn sie hatte mich am Arm gepackt und mit Mamas Eierkorb auf dem Kopf ebenfalls tanzen lassen. Ich hatte es schnell gelernt, aus Bewunderung für Aunt Chickory und aus Angst um die Eier und vor Mama. »Take the cake, child. You gotta take that cake.«
Ohne weitere Aufforderung ging ich zum Tisch und setzte mir den letzten Eimer auf den Kopf. Ich spazierte langsam im Kreis um Mae herum, grinste und wackelte dabei mit den Schultern, so wie ich es von Aunt Chickory gelernt hatte.
Miss Everett machte dem Spaà ein Ende. »Das genügt für heute«, sagte sie mit verschränkten Armen und missbilligendem Blick. »Leg den Anzug wieder ab, Ada. Er soll doch sicher für deinen Ausgang morgen frisch sein.«
Der nächste Tag begann mit
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