Der verbotene Kuss
eines Mannes. Mir war ganz deutlich klar, dass er es nicht erwarten konnte, Ihnen seine leitende Hand zu reichen.“
„Das beweist nichts“, murrte Felicity. „Wissen Sie, er ist ein Tyrann!“
Miss Greenaway schmunzelte. „Offenbar nur bei Ihnen, und das auch nur, weil er Gefühle für Sie hat. Außerdem finde ich es sehr merkwürdig, dass er mir nicht erzählt hat, seine Verlobte sei Lord X. Entweder wollte er Sie beschüt-zen, oder er versuchte zu vermeiden, dass ich schlecht über Sie denke. Beides zeigt, dass er Sie gern hat.“
Felicity zerknüllte das Taschentuch. „Oder, dass Ihre Meinung ihm sehr viel bedeutet.“
„Ja, wir haben ein freundschaftliches Verhältnis.“
Wider Willen empfand Felicity Eifersucht. „Warum hat er dann nicht Sie geheiratet? Ihr gesellschaftlicher Status entspricht meinem. Einige der Frauen, denen er den Hof gemacht hat, waren noch schlechtere Partien, als Sie es gewesen wären, oder als ich das bin. Mit Ihnen hätte er sich zumindest wohl gefühlt und nicht befürchten müssen, dass Sie ihn nicht erhören. “
„Mich hätte er nie um meine Hand gebeten, meine liebe Miss Taylor. Wissen Sie, mir ist zu viel über diesen Dorn, wie Sie das nannten, in seinem Herzen bekannt. Für mich ist das zwar nur ein tragisches Ereignis in seiner Vergangenheit, aber er glaubt, es sei so furchtbar, dass keine Frau, die es kennen würde, ihn dann noch haben will. Daher wird er es Ihnen nicht erzählen. Er hat Angst, Sie abzuschrecken.“ Miss Greenaway legte Felicity die Hand auf den Arm. „Selbst wenn er mich gebeten hätte, seine Frau zu werden, wäre ich nicht einverstanden gewesen.“
Diese Äußerung überraschte Felicity. „Warum? Weil Sie seinen Onkel liebten?“
„Nein“, sagte Miss Greenaway kühl. „Ich war nicht freiwillig dessen Mätresse. Nach dem Tod seiner Frau hat er mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich entweder seine Geliebte werden und weiterhin die Gouvernante seiner Kinder sein könne, oder damit rechnen müsse, eines Verbrechens wegen verurteilt und deportiert zu werden. Mit zweiundzwanzig hatte ich schreckliche Angst vor ihm. Und da ich Waise bin und keine Angehörigen habe, gab es niemanden, der für mich hätte eintreten können. Dann hätte Mr. Lennards Wort gegen meins gestanden. Also wurde ich seine Mätresse. Ich war heilfroh, als er mich entließ, obwohl das für mich bedeutete, in Armut gestürzt zu werden.“
Sie lächelte. „So sehr ich es auch begrüßte, dass Lord St. Clair mir zu dieser Zeit zu Hilfe kam, so wenig hatte ich den Wunsch, ihn zu heiraten. Im Hinblick auf seine Verwandtschaft mit Edgar und Walter wäre das etwas peinlich für mich gewesen. Bestimmt hätte er die Situation sehr geschickt gehandhabt, aber ich wollte nicht, dass er mich nur aus Freundlichkeit heiratet. In dieser Hinsicht bin ich wie Sie. Trotz meines angegriffenen Rufes möchte ich aus Liebe heiraten.“
Miss Greenaway seufzte. „Aber das wird wohl kaum geschehen. Dennoch möchte ich, dass Lord St. Clair dieses Glück hat. Und ich glaube, es wird ihm zuteil werden, wenn Sie bei ihm sind und die Wunde heilen können, die entsteht, wenn der Dom nach außen dringt. Sie werden doch bei ihm sein, nicht wahr? Ich habe Ihre Bedenken doch ausräumen können?“
Eigenartigerweise war Miss Greenaway das gelungen. Die Erkenntnis, dass sie alles über Ians Vergangenheit wusste und nicht entsetzt war, hatte etwas Tröstliches. Der Kummer, der ihn belastete, war offenbar nicht unüberwindbar.
Man hörte eine Tür sich öffnen, und dann steckte eine junge Frau den Kopf ins Zimmer. „Ich bin zurück, Miss Greenaway. Soll ich mich jetzt um Walter kümmern?“ „Nein, Agnes. Vielen Dank, aber mein Sohn schläft schon. “
„Soll ich dann dem Kutscher sagen, er könne das Gig in die Remise fahren?“
Miss Greenaway schaute Felicity an. „Um wie viel Uhr findet die Trauung statt?“
Felicity erstarrte. Verflixt, sie hatte nicht mehr auf die Zeit geachtet. Sie blickte sich nach einer Uhr um und stöhnte auf, als ihr Blick auf das Zifferblatt fiel. „Großer Gott! In zehn Minuten müsste ich bei der Kirche sein. Das schaffe ich nie!“
„Doch! Wir fahren im Gig.“ Miss Greenaway ging zur Salontür. „Ich lasse Sie beim Kirchenportal aussteigen, damit niemand erfährt, dass ich da war. Agnes kann auf Walter aufpassen, und wenn wir uns beeilen, kommen wir noch rechtzeitig vor der Kirche an.“
„Ich muss mich noch umziehen!“ jammerte Felicity, während sie hinter
Weitere Kostenlose Bücher